Die Reise des Elefanten - Die Reise des Elefanten - A viagem do elefante
immer auch mildernde Umstände in Betracht ziehen, deren Ersterer im Falle des Mahuts das Eingeständnis wäre, dass die Idee mit dem falschen Wunder nicht von ihm stammte, waren es doch die Patres der Basilika des heiligen Antonius gewesen, die sich diesen Schwindel ausgedacht hatten, und ohne diesen wäre es Fritz schließlich niemals in den Sinn gekommen, die Behaarung des Verursachers des vermeintlichen Wunders zu seiner eigenen Bereicherung auszunutzen. Sowohl der adlige Erzherzog wie auch sein gefälliger Intendant hätten sich eigentlich, ihrer eigenen größeren und kleineren Sünden eingedenk, schließlich ist niemand auf dieser Welt frei von Schuld, und am wenigsten die beiden, an dieses berühmte Sprichwort über den Balken und den Splitter erinnern müssen, das, auf die neue Situation angepasst, lehrt, dass man eher den Balken im Auge des Nachbarn erkennt als das Elefantenhaar im eigenen. Auf jeden Fall ist dieses Wunder keines, das im Gedächtnis von Völkern und Generationen hängenbleiben wird. Entgegen der Befürchtung des Erzherzogs wird sie das Gerücht über das falsche Wunder nicht auf dem Rest der Reise verfolgen, sondern sich kurze Zeit später wieder verflüchtigen. Die Menschen, die in der Kolonne reisen, seien es Adlige oder Plebejer, Militärs oder Zivile, werden ganz andere Sorgen haben, wenn die Wolken, die sich um Trient herum über den ersten Bergen vor dem Alpenmassiv zusammenballen, in Regen übergehen und, wer weiß, vielleicht sogar in Hagel und gewiss auch in Schnee, woraufhin die Wege sich mit rutschigem Eis überziehen werden. Dannwird sich vermutlich irgendeiner der dort Mitreisenden eingestehen, dass der arme Elefant in dieser grotesken Episode aus der Kirchengeschichte nichts weiter als ein unschuldiger Statist und der Mahut ein Bauernopfer dieser korrupten Zeit ist, in die wir hineingeboren wurden. Lebe wohl, du Welt, die du stets schlechter wirst.
Trotz des vom Erzherzog geäußerten Wunsches war es nicht möglich, die Strecke zwischen Padua und Trient in einem Tag zurückzulegen. Soliman strengte sich an, so gut er konnte, und der Mahut zwang ihn, so gut er konnte, sodass es fast den Anschein hatte, als wollte er sich an ihm für das Fiasko des so gut begonnenen und so schlecht zu Ende gebrachten Handels rächen, doch Elefanten haben ihre körperlichen Grenzen, selbst jene, die es auf vier Tonnen Gewicht bringen. Der Intendant hatte ganz recht, als er ihn einen soliden Läufer nannte. Streng genommen war es auch besser so. Statt im abendlichen Dämmerlicht, fast schon im Dunkeln, in Trient einzuziehen, taten sie es nun zur Mittagsstunde, mit Menschen auf den Straßen und folglich unter Beifall. Der Himmel war noch immer mit einer zusammenhängenden, von Horizont zu Horizont reichenden Wolke bedeckt, doch es regnete nicht. Die Meteorologen der Kolonne, und eigentlich waren alle Reisenden der Kolonne berufene Meteorologen, waren sich einig, Das ist Schnee, und zwar richtiger. Als der Zug in Trient ankam, erwartete sie auf dem Platz vor der Kathedrale des heiligen Virgil eine Überraschung. Im geometrischen Zentrum dieses Platzes ragte in ungefähr halber Originalgröße die Statue eines Elefanten empor, oder besser gesagt, ein offensichtlich hastig zusammengezimmertes Brettergebilde, das, ohne den Anspruch auf übermäßige anatomische Genauigkeit zu erheben, wenngleich weder der gebogene Rüssel noch die Stoßzähne fehlten, deren Elfenbein man durch einen weißen Anstrich wiedergegeben hatte, Soliman darstellen sollte und auch nur ihn darstellen konnte, da weder ein anderes Tier dieser Spezies in den dortigen Breiten erwartet wurde noch etwas darüber bekannt war, dass ein anderes in die Geschichte Trients eingegangen wäre, zumindest nicht in die neuere. Als der Erzherzog der elefantenartigen Figur ansichtig wurde, erzitterte er. Seine schlimmsten Ängste bestätigten sich, die Nachricht über das Wunder war hierher gelangt, und die örtlichen religiösen Machthaber, die schon die Ausrichtung des Konzils innerhalb ihrer Mauern weltlich wie geistlich weidlich auszunutzen wussten, hatten die Heiligkeit Trients durch die Nachbarschaft zu Padua und der Basilika des heiligen Antonius bestätigt gesehen und beschlossen, diese zum Ausdruck zu bringen, indem sie vor der Kathedrale, in der seit Jahren Kardinäle, Bischöfe und Theologen versammelt waren, ein einfaches Abbild der wundersamen Kreatur errichteten. Bei näherem Hinsehen entdeckte der Erzherzog, dass sich auf dem
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