Die Reise in die Dunkelheit
auszuräumen.«
»Soweit uns bekannt ist, wurde er mit der Untersuchung des Terroranschlags beauftragt. Warum hilfst du deinem Freund nicht bei der Suche nach den Schuldigen? Das wäre sinnvoller, als hier auf der Pritsche rumzuliegen.«
»Weil er ein Idiot ist«, erwiderte der Mutant lapidar und stützte das Gesicht in seine riesigen Hände.
Eine Erklärung blieb er schuldig und wäre auch kaum damit fertig geworden, denn vom Bahnsteig her hörte man Schüsse knallen. Ein einsamer Schrei des Entsetzens erstickte jäh, dafür brüllten gleich mehrere Siedler auf einmal durcheinander. Passend zum anschwellenden Stimmengewirr ging kurz darauf die Alarmsirene los.
Afanassi erhob sich und blickte besorgt zur Tür.
»Da muss irgendwas passiert sein …«
Dass er damit richtiglag, bestätigte sich unmittelbar: Der Wachposten hinter der Tür stieß einen fürchterlichen Schrei aus. Es folgte das Gepolter eines umgeworfenen Stuhls, dann bellte ein Sturmgewehr los. Sekunden später verstummte das wilde Rattern. Kampfgeräusche und hysterische Schreie verebbten zu einem dumpfen Glucksen.
Unheilvoll quietschend öffnete sich ein Stück weit die Tür. In den Zwischenraum fiel der blutüberströmte Oberkörper des Wärters. Der Kopf des Mannes baumelte leblos am zerrissenen Hals, während der Rumpf wie eine Marionette zappelte . A uf der anderen Seite der Tür machte sich jemand oder etwas zu schaffen. Gieriges Schmatzen und das Knirschen berstender Knochen verrieten auf schauerliche Weise, was dort draußen geschah: Irgendeine Bestie fraß die Beine des Mannes. Hier, mitten im bewachten Bereich der Station!
»Schau!«, rief Dym.
»Was denn?« Der alte Mann stand wie angewurzelt da und starrte den Toten an.
»Dort, neben seiner Hand!«
Jetzt bemerkte auch Afanassi den Schlüsselbund, der unter dem Körper des Wärters hervorlugte. Er schöpfte Mut und tastete sich Schritt für Schritt zur Tür vor. Die Bestie schien ihn nicht zu wit tern. Oder sie war zu sehr damit beschäftigt, ihre Beute nach draußen zu zerren.
Bemüht, möglichst keinen Lärm zu machen, angelte sich der alte Mann den Schlüsselbund und trippelte zum Gitter zurück.
»Schnell! Mach schon!«, drängte der Gefangene. »Gib her, ich sperr selber auf.«
Dym nahm dem Alten den Schlüsselbund ab und machte sich an dem schweren Vorhängeschloss zu schaffen . A fanassi drehte sich um. Die Leiche war verschwunden, nur ein großer Blutfleck markierte die Stelle, an der sie gelegen hatte . A uch die grauenhaften Fressgeräusche waren verstummt. Entweder hatte sich die Bestie verzogen, um nach neuen Opfern Ausschau zu halten, oder …
Ein furchterregendes Gebrüll im Korridor bestätigte die böse Vorahnung. Der alte Mann reagierte sofort. Mit einem Satz sprang er zur Tür und stemmte sich mit aller Kraft dagegen. Die Bestie ließ nicht lange auf sich warten. Ein wuchtiger Schlag erschütterte die Holzplatte und riss das obere Scharnier aus der Verankerung . A fanassi wurde heftig durchgerüttelt, hielt aber stand. Seine von Arthritis geplagten Beine ächzten. In seinen Schläfen hämmerte pulsierender Schmerz.
»Verflucht! Beeil dich, Junge! Ich kann mich nicht mehr halten …«
Noch ein Schlag. Und noch einer. Hartnäckig versuchte die Bestie, an die leckeren Zweibeiner heranzukommen. Sie scharrte wütend am Holz, knurrte und sprang immer wieder mit voller Wucht gegen das lästige Hindernis.
Afanassi kämpfte. Seine zusehends schwindenden Kräfte machte er mit purer Willenskraft wett. Ein Seemann gibt niemals auf.
Das störrische Schloss klickte in dem Augenblick, als der Greis entkräftet in die Knie ging. Kurz darauf knallte er zusammen mit der endgültig ausgeschlagenen Tür gegen die Wand, und die jaulende Bestie flog in den Raum. Das unförmige Vieh war so groß wie eine ausgewachsene deutsche Dogge und fletschte knurrend sein längliches Maul. Der grünhäutige Gefangene trat aus seiner Zelle und schmetterte den Angreifer mit einem klatschenden Fausthieb zurück. Das verblüffte Raubtier ordnete seine sichelförmigen, mit Zwischenhäuten versehenen Klauen und setzte erneut zum Sprung an. Im Flug geriet sie in Dyms mächtige Pranken und wurde zu Boden gedrückt. Die desorientierte Bestie zappelte und schnappte, doch gegen die Urgewalt des Riesen hatte sie keine Chance. Gennadi packte sie am Nacken und an den Hinterläufen, hob sie hoch und schlug sie über das angewinkelte Knie. Wirbel knackten. Winselnd fiel das Tier auf den Beton und verstummte
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