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Die Reise in die Dunkelheit

Die Reise in die Dunkelheit

Titel: Die Reise in die Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Djakow
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Kragen des Stalker-Anzugs fest. Nachdem er wieder zu Atem gekommen war, erzählte er hastig und wirr von dem fremden Mädchen, das angeblich aus der geheimen Stadt fortgelaufen war.
    Ungeduldig blickte der Söldner zum Ausgang, doch ließ jede Hilfe auf sich warten. Das ging zweifellos auf das Konto des Schwarzen Vernichters. Mit seiner unantastbaren Autorität hatte er es geschafft, die Patrouille abzulenken.
    »Du musst dich beruhigen.« Taran öffnete seine Feldapotheke und nahm eine Ampulle kostbaren Morphins heraus. »Aber lass die Augen auf und schau mich an!«
    »Was bringt das, wenn wir uns blöd angucken?! Schau lieber mal auf das obere Regal … Ja, die Lampe dort.«
    »Aber …«
    »Unterbrich mich nicht, das ist sehr wichtig! Hör mir gut zu, solange ich noch nicht krepiert bin … Mit dem Ding da kannst du Gleb finden. Ich habe ihm einen UV -Marker mit auf den Weg gegeben. Du musst nach Markierungen an den Wänden suchen. Mit der UV -Lampe kannst du sie sehen. Und richte dem Jungen aus, dass er sein Versprechen nicht vergessen soll. Er weiß schon, was gemeint ist …«
    Erschöpft ließ Wladlen den Kopf auf die Wattejacke sinken, die ihm Taran fürsorglich untergelegt hatte. Die Hände des Stalkers zitterten so heftig, dass er Mühe hatte, die Spritze aufzuziehen. Als er endlich so weit war, würgte Kantemirow einen erstickten Seufzer aus. Der Brustkorb des Arztes hob sich nicht mehr. Seine Augen starrten leblos an die Decke.
    »Scheiße!«
    Der Stalker erhob sich, trat wütend qualmende Trümmer aus dem Weg und rannte in den Korridor hinaus. In dem schmalen Zwischengang traf er weder auf Patrouillensoldaten noch auf Ärzte. Mit dem stahlbewehrten Stiefel drosch er gegen die nächste Tür. Das windige Ding flog beinahe aus den Angeln und krachte gegen die Wand. Vor Taran stand ein etwa siebzehnjähriger Kerl in einer schlampigen Uniform und blinzelte perplex.
    »Wo ist er?« Taran packte den jungen Mann am Kragen und schüttelte ihn.
    »Wo ist wer?«
    »Der Schwarze Vernichter!«
    »Äh … Der ist gerade gegangen. Er hat gesagt, dass in der Station desinfiziert wurde und niemand reingehen darf …«
    Der Stalker ließ den Einfaltspinsel los und lief fluchend zum Bahnsteig. Kaum dass er ihn betreten hatte, schaute er in die Mündungen mehrerer Gewehrläufe, die grimmige Kämpfer auf ihn gerichtet hatten.
    Der Chef der Wache, ein kräftig gebauter Typ mit blank gewienerten Kunstlederstiefeln, trat vor und schaute den renitenten Patienten verächtlich an.
    »Nicht so hastig, Stalker. Wir müssen reden.«

15
    DIE AUSSPRACHE
    Das Quietschen der verrosteten Angeln riss den alten Mann aus seinen Gedanken. Stirnrunzelnd schloss er die durch Feuchtigkeit verworfene Tür und nickte dem einsamen Wachposten zu. Der trat zur Seite und ließ den Besucher ins Gefängnis ein.
    Afanassi rückte einen Hocker bedenklich nah an das aus Bewehrungsstahl zusammengeschweißte Gitter und setzte sich. Dann krümmte er mühsam den steifen Rücken und zog seinen Tabaksbeutel hervor.
    Als Gefängnis diente an der Tschkalowskaja eine umgebaute Kammer im Technikgeschoss unter dem Bahnsteig. Schon kurz nach der Ankunft an der Station war den Seeleuten klar geworden, dass sie ohne einen solchen Knast nicht auskommen würden. Viele von ihnen zerbrachen am Verlust ihrer Liebsten oder kamen nicht damit zurecht, im finsteren Labyrinth der Metro ums Überleben kämpfen zu müssen. Selbst starke Persönlichkeiten verloren die Nerven. Hysterische Anfälle, Ausraster und Schlägereien waren an der Tagesordnung. Und so blieb nichts anderes übrig, als den ein oder anderen im Kittchen herunterzukühlen.
    Der hünenhafte Gefangene, der die Zelle neuerdings bewohnte, reagierte nicht auf den greisen Besucher. Über den breiten, mit mächtigen Muskelsträngen durchzogenen Rücken des grünhäutigen Giganten floss in dünnen Rinnsalen Wasser, das aus schimmligen Rissen in der Betondecke tropfte. Doch solche Lappalien kümmerten den Mutanten wenig. Nichts schien ihn aus seiner Lethargie reißen zu können.
    Ohne Eile drehte Afanassi eine Zigarette aus den getrockneten Blättern des »Genkrauts«, eines unscheinbaren Gewächses, das einst als Tabakersatz auf die Moschtschny gebracht worden war. Das Aroma dieser Eigenbau-Machorka war wohl die einzige Erinnerung an die verlorene Insel und die gute alte Zeit.
    Der alte Mann entzündete die Zigarette an einem Span, inhalierte tief und schloss genussvoll die Augen. Der blaugraue Rauch strich mit einem

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