Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Reise in die Dunkelheit

Die Reise in die Dunkelheit

Titel: Die Reise in die Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Djakow
Vom Netzwerk:
leichten Kitzeln durch die Nase und verbreitete sich im Raum . A uch Gennadi registrierte das bitterwürzige Aroma. Er drehte sich zum Gitter um und betrachtete den Besucher . A ls Großvater Afanassi seinen Blick auf sich lasten fühlte, öffnete er die Augen.
    »Jaja, ein übles Kraut. Kein Vergleich mit richtigem Tabak . A ber mit der Zeit gewöhnt man sich dran.« Der Greis deutete auf seinen Tabakbeutel. »Magst du auch eine?«
    Dym zögerte kurz und nickte dann.
    »Ich weiß noch, damals hat ein Finne das Zeug vom vergifteten Festland mit auf die Insel gebracht. Er hat bei uns als Gehilfe des Schiffskochs in der Kombüse gearbeitet. Die Pflanzen hat er einfach am Ufer eingesetzt. Und siehe da – sie wucherten wie Unkraut . A ls die Chefs in der Administration von der wilden Plantage erfuhren, ließen sie das ganze Feld niederbrennen, und der junge Gärtner landete für ein Wöchelchen im Bau.« Während Großvater Afanassi launig erzählte, drehte er die zweite Zigarette, rauchte sie an und reichte sie dem Gefangenen durch das Gitter. »Nur hatte keiner damit gerechnet, wie zäh das Kraut war. Es trieb auf dem Aschefeld einfach wieder aus – zur Freude der Raucher. Der Finne war gar nicht so dumm. Er hatte einen ganz passablen Tabakersatz entdeckt . A m Ende waren ihm alle dankbar dafür. Und wie …«
    Im Augenwinkel beobachtete der Alte den Mutanten. Der nuckelte vorsichtig an der Selbstgedrehten, ließ das Kraut auf sich wirken und seufzte versonnen . A n seinem Gesicht, aus dem mächtige Wangenknochen und dicke Augenbrauenwülste spektakulär hervorragten, war nicht abzulesen, ob ihn das Palaver des greisen Besuchers interessierte oder ob er seinen eigenen Gedanken nachhing.
    »Ein bisschen zu leicht«, durchbrach der Gefangene das Schweigen. »Aber würzig. Danke.«
    Nicht der Rede wert, gab Afanassi mit einem flüchtigen Kopfnicken zu verstehen. Er spürte instinktiv, dass der Mutant jetzt aufgetaut war. Deshalb wartete er ab und beobachtete die züngelnde Flamme an dem dünnen Span.
    Gennadi ließ sich nicht lange bitten. Er klopfte die Asche ab und begann seinerseits zu erzählen.
    »Mein Onkelchen hat mal eine StangeBelomor von einem Streifzug mitgebracht. Die waren noch völlig in Ordnung, kein bisschen verfault. Er hat sie gehütet wie seinen Augapfel und nur an Feiertagen ab und zu eine geraucht. Ich hatte sogar noch ein paar Schachteln davon geerbt. Das war ein Tabak! Höllisch stark. Der hat richtig in der Lunge gebrannt …«
    Der Alte nickte zustimmend und lächelte. »Belomor«. Dieses halb vergessene Wort aus der Vergangenheit weckte nostalgische Erinnerungen – Bilder aus einem früheren, verlorenen Leben: die sengende Sonne, deren glitzernde Strahlen sich millionenfach in den Fenstern der Hochhäuser spiegelten; der schattige, vor üppigem Grün strotzende Boulevard, wo man unbeschwert frische Luft tanken konnte; das vergnügte Kreischen des Enkels, der mit seinem knallroten Tretroller durch die Gegend kurvte; Sommer war’s gewesen …
    Die abgebrannte Kippe versengte die Lippen . A fanassi fuhr auf und fand sich mit Bedauern in der realen Welt wieder – in einem engen, feuchten Korridor tief unter der Erde.
    »War das dein leiblicher Onkel oder hast du ihn nur so genannt?«
    Der Mutant antwortete nicht sofort. Offenbar schwelgte auch er in Erinnerungen.
    »Wie soll ich sagen … Er war ein guter Mensch, der mir das Leben gerettet hat. Meine Mutter ist bei meiner Geburt gestorben. Und mich wollte man auch … dings … und mit ihr zusammen begraben. Was will man schon mit einem wie mir? Mit einer Missgeburt? Aber mein Onkelchen hat das nicht zugelassen. Er hat sich für mich eingesetzt und mich von dort weggebracht. Wir haben dann zu zweit im Keller eines ehemaligen Sportvereins gelebt. Er hat mich großgezogen und mir Verstand beigebracht. ›Ich bin nicht dein Vater, sondern dein Onkel‹, hat er immer gesagt. Er hieß Trifon . A ber für mich war er immer nur mein Onkelchen. So hab ich das auch in das Kreuz eingeritzt, als ich ihn begrub. Jetzt ist er dort oben. Die Strahlung hat ihn umgebracht. Wir haben ja nicht in der Metro gelebt, sondern ziemlich nahe an der Oberfläche.«
    »Und was ist mit dir, du arme Seele? Hat es dich nicht erwischt?«
    »Mir macht die Strahlung nichts aus. Wenigstens ein Vorteil meines Gendefekts. Du weißt ja, Mutanten sind in der Metro nicht sonderlich beliebt. Und solche Monster wie ich schon gar nicht.«
    Gennadi drückte seine Kippe aus, lehnte sich

Weitere Kostenlose Bücher