Die Reise in die Dunkelheit
›Platz an der Sonne‹ an dich abgetreten.«
Der Gigant sah auf und musterte seine Tochter. Die hörte stoisch zu und starrte dabei auf den Boden.
»In den langen dreizehn Jahren seit deiner Geburt habe ich Eden gedient, indem ich das Geheimnis seiner Existenz hütete. Dabei habe ich nie die Hoffnung verloren, eines Tages zu meiner heiß geliebten Frau und zu dir, meine Kleine, zurückkehren zu dürfen. Ich habe sogar versucht, den Mikrowellenstrahler am Eingang lahmzulegen . A ber du weißt ja, das Sicherheitssystem lässt sich nicht umgehen und schon gar nicht außer Gefecht setzen. Die Zeit verrann, und außer leeren Versprechungen habe ich nie etwas erreicht. Und dann wollte es ein glücklicher Zufall, dass diese durchgeknallten Kommunisten auf die Stromtrasse gestoßen sind. So gelangte ich wieder ins Observatorium.
Der Computer pfiff zwar aus dem letzten Loch, aber er funktionierte noch. Den Aktivierungscode, den ich mir seinerzeit leichtsinnigerweise nicht notiert hatte, bekam ich mit ein paar Mausklicks heraus. Das eröffnete mir die Möglichkeit, die Führung von Eden mit einer Atombombe zu erpressen . A ber die haben mir das natürlich nicht abgenommen. Kein Mensch hätte ernsthaft daran geglaubt, dass in unmittelbarer Nähe einer der am besten geschützten Bunkeranlagen der Welt ein solches Überraschungsei versteckt war . A bgesehen davon hätte ich das ›Objekt 30‹ so oder so nicht in die Luft gesprengt in dem Wissen, dass meine Frau und meine Tochter dort leben.
In meinem Frust habe ich die Bombe dann demontiert – das ging ganz einfach, wie bei einem Legobausatz – und sie Stück für Stück in die Nähe des Ankerplatzes der ›Babylon‹ transportiert. Der Rest war eine Frage der Technik. Die Bombe ist in einem Container mit getrockneten Pilzen auf die Moschtschny gelangt. Billig und effektiv. Zum Glück kam niemand auf die Idee, den Inhalt des Containers mit Messgeräten zu kontrollieren.
Die Atomexplosion hat den Exodus aus der Metro gestoppt. Der Schutzwall gegen die Bestien, den die bewohnten Stationen bilden, bleibt Eden damit auf lange Zeit erhalten. Ich habe das zum Schutz unseres Zuhauses getan. Zu deiner und zu Mamas Sicherheit.«
»Du wolltest dich nur andienen und dir damit einen Platz in Eden erkaufen! Mit dem Tod Hunderter Unschuldiger!«
Auroras Augen blitzten vor Zorn.
Der Gigant erwiderte zunächst nichts und seufzte tief. Dann fuhr er ermattet fort.
»Ich … wollte bei meinen Lieben sein . A ls die Insel Geschichte war, habe ich die Führung des Objekts über die positiven Folgen informiert. Doch deren Reaktion fiel anders aus, als ich erwartet hatte. Diese verfluchten Moralisten im Geheimdienst wollten niemanden in ihren Reihen haben, der eine ganze Siedlung ausgelöscht hat . A ber jetzt spielt das keine Rolle mehr …«
Der Schwarze Vernichter richtete sich zu voller Größe auf und breitete versöhnlich die Arme aus . A ls sein Bein in dem riesigen Stahlstiefel vortrat, wichen die Kinder reflexartig zurück.
»Du hast doch eine Chipkarte, mit der man reinkommt! Sie werden mich anhören müssen und dann …«
»Nein!«, schrie Aurora und ballte die Fäuste. »Mit deinen Gewaltexzessen hast du sie viel zu sehr eingeschüchtert, als dass sie noch mit dir reden würden. Der Terroranschlag hat dich Eden keinen Zentimeter näher gebracht! An deinen Händen klebt nicht nur das Blut jener Unglücklichen, sondern auch das Blut meiner Mutter! Du bist viel zu weit gegangen! Mama hat sich sofort von dir losgesagt, als sie von den ersten Opfern erfuhr …«
»Alina? … Was ist mit ihr?«
»Mama lebt nicht mehr . A ls sie von der Katastrophe der Insel erfuhr, hat ihr Herz versagt.«
Die Zeit gerann zu einem zähen Brei, in dem die Sekunden quälend langsam verrannen . A drenalin schoss ins Gehirn. Die Schläfen pochten. Die schwarze Ausgeburt der Finsternis verharrte am Rand des spukhaft bläulichen Scheins, den der flimmernde alte Bildschirm in den Raum warf.
Wie lange dauert es, bis einem das totale Desaster bewusst wird, wenn alle Träume zerplatzen und sich in Nichts auflösen?
Der Riese schwankte und verschränkte die mächtigen Pranken über dem Helm. Unter dem Visier quollen unverständliche Laute hervor, die an das Gequengel eines beleidigten Kindes erinnerten . A n Aurora und Gleb, die ihm gegenüberstanden, schien der Vernichter in seinem Gram jedes Interesse verloren zu haben.
Das Gejammer, das so leise und harmlos begonnen hatte, wuchs sich plötzlich zu
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