Die Reise in die Dunkelheit
einem verzweifelten Schrei aus, in dem sich unsäglicher Kummer entlud. Jetzt beschleunigte sich die Zeit wie ein abgeschossener Pfeil.
»Du bist an allem schuld!!!«, brüllte der Gigant, und der Finger in seinem gepanzerten Handschuh richtete sich auf das Gesicht des Mädchens. »Ohne dich wäre das alles nicht passiert!«
Als seine andere Hand den Griff des Flammenwerfers umfasste, spürte Aurora einen heftigen Ruck – das war Gleb, der sie energisch aus der Schusslinie zog.
Die Kinder flüchteten in den Gang und rannten um ihr Leben. Jeden Augenblick rechneten sie damit, den tödlichen Feuerstrahl im Rücken zu spüren. Doch es passierte nicht. Stattdessen hörten sie hinter sich den Vernichter fluchen, dem erst jetzt wieder einfiel, dass in den Tanks des Flammenwerfers kein Brennstoff mehr war. Seine schweren Schritte und das Rasseln der Rüstung hallten bedrohlich durch den Serverraum.
»Ihr entkommt mir nicht!«, drohte er. »Gebt mir die Chipkarte, dann lasse ich euch gehen!«
Die Kinder hatten nur noch wenige Meter bis zur Treppe, als ihnen plötzlich ein grauer Schatten entgegentrat. Das Mädchen kreischte vor Schreck und stürzte. Ihren Weggefährten riss sie mit sich zu Boden. Vor den Augen tauchten profilierte Stiefelsohlen auf. Der Unbekannte und der Vernichter hatten den Gang praktisch gleichzeitig erreicht.
In der Stahlfaust des Giganten funkelte ein riesiges Jagdschwert. Eine kurze Ausholbewegung und die breite Klinge sauste auf Aurora herab. Ein Schuss krachte. Das Schwert zuckte zur Seite und verschwand in der Dunkelheit. Der Unbekannte lud durch und richtete seine Flinte auf die Gestalt in der Rüstung.
»Schluss jetzt!«
Als Gleb die eiserne, wohlvertraute Stimme hörte, sprang ihm vor Freude fast das Herz aus der Brust. Endlich! Jetzt wo Taran bei ihm war, würde alles gut werden.
»Schon wieder du?«, schnaubte der Vernichter. »Geh mir aus dem Weg, sonst zerquetsche ich dich zusammen mit diesen beiden miesen Ratten!«
Die seelischen Erschütterungen wollten kein Ende nehmen an diesem Tag. Der Junge verharrte in stummem Entsetzen, als er die nächsten Worte des Stalkers vernahm:
»Ich habe alles mitgehört. Schluss mit dem Versteckspiel, Pachom. Ich weiß, dass du unter dem Helm bist. Es ist schon genug Blut geflossen. Was vorbei ist, ist vorbei …«
20
AUF LEBEN UND TOD
Gleb traute seinen Ohren nicht.
Onkel Pachom – der Schwarze Vernichter? Unmöglich! Wie könnte sich hinter einem so gutmütigen Spaßvogel ein grausamer Mörder verbergen?
Warum? Wie? Wozu?!
Das konnte nicht sein! Oder doch?
Der Großteil der Waffen, die im Untergrund gehandelt wurden, stammte von Pachom. Doch wo er sie herhatte, wusste kein Mensch – großes Betriebsgeheimnis. Der Waffenhändler fand augenscheinlich immer Mittel und Wege, um neugierige Frager abzuwimmeln.
Wenn aber der Schwarze Vernichter und Pachom ein und dieselbe Person waren, passte alles zusammen. Der Vernichter hatte Zugang zu den Arsenalen des »Objekts 30«. Von dort hatte er die Waffen her – logisch …
Jetzt war auch klar, wie der Schwarze Vernichter, wenn er aus heiterem Himmel an den Stationen auftauchte, zielsicher diejenigen fand, die sich für die geheime Stadt interessierten. Es gab kein Agentennetz. Eden brauchte sich um die Wilden, die sich in der Metro tummelten, überhaupt nicht zu kümmern. Denn Pachom erfuhr aus den Gesprächen mit seinen vielen Bekannten stets die neuesten Gerüchte über das »Objekt 30«. Und wenn er der Meinung war, dass jemand des Rätsels Lösung zu nahekam, verwandelte er sich kurzerhand in den Schwarzen Vernichter und verbrannte den potenziellen Störenfried. Die Leben dieser Unglücklichen sammelte er wie in einer Spardose und hoffte irgendwann genug zusammenzuhaben, um sich einen Platz im unterirdischen Eden zu erkaufen.
Nur dass es unter der Erde kein Paradies gab.
Im Rücken des Stalkers erschienen die Seeleute von der »Babylon«. Hinter ihnen kam der Mutant Gennadi die Treppe herunter. Mit seinen riesigen Füßen bewegte er sich etwas ungelenk über die bröckeligen Stufen.
Als Afanassi den Vernichter sah, trat er neben Taran.
»Ist er das?«, erkundigte er sich.
Taran nickte. Der Greis legte seine Kalaschnikow an.
»Warte.« Der Söldner legte die Hand auf den Vorderschaft des Gewehrs. »Ich kenne ihn. Lass mich mit ihm reden.«
Widerwillig ließ Afanassi die Waffe sinken, ohne den hasserfüllten Blick von seinem Todfeind zu wenden.
»Was willst du von mir hören,
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