Die Reise in die Dunkelheit
Du tust schreckliche Dinge!« Aurora zitterte am ganzen Leib. Über ihre Wangen liefen dicke Tränen. »Ich hasse dich!«
»Aber du bist doch hergekommen!«, entgegnete der Gigant konsterniert. »Du wolltest mich doch sehen und mit mir reden?! Oder nicht?«
»Ich … Ich wollte …«
»Lass es mich dir erklären …«
Aurora wischte sich mit dem Ärmel die Tränen aus dem Gesicht und sah ihren Vater herausfordernd an.
»Deine Untaten sind durch nichts zu rechtfertigen. Nur wenn du mir versprichst, von dieser Minute an damit aufzuhören, unschuldige Menschen zu töten, werde ich dich anhören.«
Eine quälend lange Pause entstand. Endlich reagierte der Schwarze Vernichter, ließ sich auf einer Kiste nieder und gab mit einem Kopfnicken zu verstehen, dass er einverstanden war.
Während er noch nach den richtigen Worten suchte, durchbohrte ihn Aurora mit hasserfüllten Blicken. Gleb trat zu seiner Weggefährtin und nahm sie an der Hand. Das Mädchen nahm die moralische Unterstützung dankbar an, ohne den Giganten aus den Augen zu lassen.
Bald darauf drang eine gedämpfte Stimme aus dem massiven Helm des Eisenmenschen.
»Früher habe ich im Observatorium gearbeitet . A ls wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Sonnenphysik. Wir haben die ionisierende Strahlung der Sonne erforscht. Sie wird in den oberen Schichten der Atmosphäre vollständig absorbiert. Deshalb kann man sie nur mithilfe von Satelliten analysieren. Ich war zwar nur wissenschaftlicher Mitarbeiter, galt aber als vielversprechendes Talent . A ls einer der Projektleiter plötzlich an einer banalen Grippe verstarb, hat es sich deshalb so ergeben, dass ich seinen Posten bekam.«
Komm zur Sache, Mann, dachte Gleb und schnitt eine gequälte Grimasse. Doch Aurora teilte seine Ungeduld nicht. Sie war ganz Ohr.
»Ich war ewig damit beschäftigt, den wissenschaftlichen Nachlass meines Vorgängers auszuwerten«, fuhr der Vernichter fort. »Notizen, Dateien, Berichte – alles musste gesichtet und sortiert werden. Dabei bin ich im Computer auf Spuren seltsamer Signale gestoßen. Sie waren natürlich verschlüsselt gewesen, aber dieser Typ hatte nichts Besseres zu tun gehabt, als den Code auf einem USB -Stick abzuspeichern.
Jedenfalls habe ich einen ganz schönen Schrecken bekommen, als mir klar wurde, dass ich in eine handfeste Verschwörung hineingeraten war. Ich wollte die Sache den Behörden melden und habe sogar mal bei der Miliz angerufen . A ber die haben mir nicht geglaubt und mich abblitzen lassen. Mit ein paar deftigen Flüchen – unterste Schublade. Zuerst war ich ratlos, aber dann habe ich mir vorgenommen, weiteres Beweismaterial zu sammeln und das Ganze dem FSB zu übergeben. Beim nächsten vorgesehenen Termin habe ich die Geräte also wieder auf Empfang eingestellt . A ls ich die Nachricht las, wären mir beinahe die Augen rausgefallen: Sie enthielt den Aktivierungscode. Und das Datum, auf das die Zeitschaltuhr eingestellt werden sollte.
Die Instruktionen, wie man an das Objekt herankommt, waren in den vorhergehenden Botschaften niedergelegt. Zugangsausweis, Reparaturarbeiterkluft – alles fand sich an seinem Platz . A ber anstatt zur Bombe zu gehen, habe ich lieber meine Haut gerettet . A n etwas anderes habe ich in jenem Moment nicht gedacht. Ins Objekt bin ich problemlos reingekommen. Besser gesagt, nicht ins Objekt selbst, sondern in den Dienstleistungssektor. Zu den hohen Herren kommt man wahrscheinlich bis heute nicht durch. Jedenfalls habe ich dort den Atomschlag überdauert …«
Der Gigant hielt inne und rollte die Schultern. Gleb bemerkte die unnatürliche Pose und ein leichtes Wippen im Oberkörper des Riesen. Waren das erste Entzugserscheinungen? Ein bisschen früh … Oder einfach die Nerven?
»Wo hast du Mama kennengelernt«, fragte Aurora mit eisiger Stimme.
»In Eden, wo sonst«, erwiderte der Vernichter und seufzte. »Du kannst dir nicht vorstellen, was für ein wunderbares Paar wir waren. Trotz der schrecklichen Umstände des Krieges und trotz der Gefangenschaft unter der Erde waren wir glücklich. Wir hatten ja uns. Doch alles hat sich schlagartig geändert, als Alina … als deine Mutter schwanger wurde. Denn damit verstießen wir gegen ein strenges Verbot, das die Führung verhängt hatte, um die Einwohnerzahl im Objekt zu begrenzen. Man stellte uns vor die Wahl: Entweder wir treiben das illegale Kind ab, oder … Ich entschied mich für die zweite Möglichkeit. Ich habe die Stadt freiwillig verlassen und den
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