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Die Reise in die Dunkelheit

Die Reise in die Dunkelheit

Titel: Die Reise in die Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Djakow
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sich in einen Schweinestall verwandelt . A m Boden eine Unterlage aus fauligem Stroh, als Sitzgelegenheiten Knäuel aus schmutzigen Lumpen, mitten im Raum Kohlenbecken mit abgenagten Knochen daneben, und dazwischen wuselten ein paar Dutzend ungewaschener Gestalten umher.
    Zur Abrundung des Bildes hätte nur noch gefehlt, die Gasmaske abzunehmen, um … Der Stalker hatte den Gedanken noch gar nicht zu Ende gedacht, als der bestialische Gestank bereits durch die Filter drang. Nichtsdestotrotz nahm er den Atemschutz zähneknirschend ab. Er wollte dem Anführer der Wilden gegenüber nicht respektlos erscheinen.
    Noch immer war Taran fest davon überzeugt, dass das Geschehene lediglich auf einem Missverständnis beruhte und sich die Sache in ein paar Minuten aus der Welt schaffen ließ. Die Stummel sahen zwar ziemlich heruntergekommen aus, waren im Zweifelsfall aber immer noch zivilisierter als die Menschenfresser von »Exodus« . A ußerdem lebten sie von Handel und nicht von Kannibalismus.
    An ein paar schlafenden Wilden vorbei begab sich der Stalker zu einer geräumigen Wandnische. Hinter einem aus Fellen zusammengenähten Vorhang residierte das Oberhaupt der Siedlung, ein etwa zwanzigjähriger, dunkelhäutiger Kerl mit langem, verfilztem Haar, das sein Gesicht fast vollständig verhüllte.
    Taran hatte den jungen Anführer trotz seines bizarren Äußeren immer für einen ganz vernünftigen jungen Mann gehalten. Gegenüber seinen Stammesgenossen zeichnete er sich durch einen bemerkenswerten Geschäftssinn aus und nicht zuletzt dadurch, dass er sich einigermaßen verständlich ausdrücken konnte. Wie es ihn zu dem Stamm verschlagen hatte – darüber schwieg er sich aus. Der Stalker akzeptierte das, schließlich ging es ihn nichts an. Entscheidend war, dass sie gut miteinander auskamen, was zur Folge hatte, dass die Stummel bei ihren Beutezügen stets einen großen Bogen um Tarans Unterschlupf machten. Bis vor Kurzem jedenfalls.
    Im Übrigen verdankte das Stammesoberhaupt dem Stalker seinen Spitznamen. Schon bei der ersten Begegnung hatte dieser ihn scherzhaft Sitting Bull genannt, weil seine üppige Haartracht und die etwas untypische Gesichtsfarbe ihn an die Rothäute aus den alten Western erinnerten. Der Anführer hatte an dem klangvollen Namen sofort Gefallen gefunden und deshalb verfügt, ihn zukünftig so anzusprechen.
    Am Eingang zu Sitting Bulls Gemächern wurde der Stalker von zwei Gorillas aufgehalten, die mürrisch auf sein Gewehr deuteten. Taran legte seine Ausrüstung ab und trat ein. Unter seinen Füßen lag ein ausgebleichter, mit Fettflecken verunzierter Teppich . A n den Wänden stapelten sich Berge von Hausrat. Offenbar hatte man ihn hierhergeschleppt, um den Wohlstand des Stammes zu demonstrieren. Jedenfalls war nicht ersichtlich, wozu man diesen alten Plunder sonst hätte gebrauchen können . A ls Taran sich neugierig umsah, bemerkte er zwischen all dem ausgedienten Zeug Gerätschaften, die überhaupt nicht in dieses Bärenloch passen wollten: einen Drucker, ein Mikroskop, einen Oszillografen …
    Unterdessen rutschte der junge Mann, der am anderen Ende des Raumes saß, nervös hin und her, um auf sich aufmerksam zu machen. Taran zog die Augenbrauen hoch: Als Thron benutzte der Anführer einen verschlissenen Massagesessel. Derlei Wohlfühlmöbel hatten in der Vorkriegszeit in Einkaufszentren bereitgestanden, um den vom Shopping erschöpften Kunden Entspannung zu verschaffen.
    Sitting Bull schob sich die ungepflegten Locken aus dem Gesicht und präsentierte der Welt sein hochwohlgeborenes Antlitz: lange Nase, zusammengepresste schmale Lippen und ein etwas überspannt anmutender, irrlichternder Blick.
    »Wozu hier?« Der Stammesführer zeigte sich heute wortkarg.
    »Du wissen«, gab der Stalker mit gleicher Münze zurück und fügte lapidar hinzu: »Wo ist mein Sohn?«
    »Ich weiß nicht, wovon …«
    Noch bevor Sitting Bull zu Ende sprechen konnte, landete das Amulett, das Taran gefunden hatte, zu Füßen des Throns und erstickte die vorbereitete Antwort im Keim. Der unruhige Blick des sichtlich verlegenen Stammesführers wanderte von dem Beweisstück zu seinem Finder und wieder zurück.
    »Hör zu, Sitting Bull, wir kennen uns ja schon eine Weile«, sagte der Stalker und sah den Stummel scharf an. »Was spielst du hier für ein Spiel? Warum hast du deine Leute zu mir geschickt?«
    Der Häuptling schwieg eine Zeit lang und biss nervös auf seiner Lippe herum. Dann gab er seinen Kriegern, die im

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