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Die Reise in die Dunkelheit

Die Reise in die Dunkelheit

Titel: Die Reise in die Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Djakow
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heißt er. Er nimmt den Leichen alle möglichen Sächelchen ab, und ich verkaufe das Zeug. Was ist so schlimm daran? Die Toten haben sowieso nichts mehr davon.«
    Der Blick des Stalkers war voller Verachtung, doch er ersparte sich jeden Kommentar. Er warf die Halskette beiseite und bedeutete dem Händler, ihm zu folgen. Ihre Unterhaltung musste ja nicht jeder hören. Schmyga trottete verzagt hinter ihm her. Der grimmige Blick des Stalkers verhieß nichts Gutes.
    »So. Und jetzt noch mal von vorn. Wer, wann, wohin … In allen Einzelheiten.«
    »Na, wie ich schon sagte«, plapperte der Verkäufer los. »Die Totengräber haben hier Säcke mit Leichen durchgebracht. Viele Leichen. Keine Ahnung, wo sie die alle herhatten. Vielleicht haben die Sträflinge an der Swjosdnaja wieder mal einen Aufstand gemacht …«
    »Wo finde ich diesen Baracholschtschik?«, fragte Taran ungeduldig.
    »Auf dem Friedhof, nehme ich an. Wo sollte er sonst sein?«
    Der Stalker sprang aufs Gleis hinunter und marschierte grußlos davon. Schmyga wischte sich den Schweiß von der Stirn. Das war glimpflich ausgegangen . A ber was zum Henker hatte der Söldner mit diesen Wilden am Hut? Na egal, Hauptsache, er war fort.
    Wehmütig betrachtete der Händler die schlichte Kette und seufzte. Mehr als je zuvor schien es ihm ratsam, ins Zentrum umzusiedeln. Größerer Reibach, ruhigeres Leben …
    Im Prinzip hatte Taran zwei Möglichkeiten, zu den Stationen der Totengräber zu gelangen. Entweder konventionell durch die Tunnel der Metro oder oberirdisch, was gefährlicher, aber auch erheblich kürzer war. Der Stalker entschied sich für die schnellere Alternative. Zwischen dem Eingangsvestibül der Papa und der Meschdunarodnaja lagen kaum mehr als fünf Wohnblöcke, obwohl die beiden Stationen auf verschiedenen Linien lagen.
    Während Taran sich mit kurzen Sprints entlang der Häuserwände voranarbeitete, ließ er die Ereignisse der vergangenen Stunden noch einmal Revue passieren. Die Lage geriet allmählich immer mehr außer Kontrolle. Die Worte des widerwärtigen Händlers – »Säcke mit Leichen … viele Leichen« – gingen ihm nicht mehr aus dem Kopf. Sosehr er sich auch mühte, die schlimmen Gedanken zu verscheuchen, die Fakten sprachen für sich: Es stand nicht gut um Gleb, und die einzige vage Spur, die vielleicht zu ihm führte, befand sich nun irgendwo im Revier der schweigsamen Totengräber.
    Der Stalker hoffte inständig, dass dieser Baracholschtschik etwas Licht in die Sache bringen konnte, deshalb wollte er keine Sekunde Zeit verlieren. Mit viel Risiko und ohne Rücksicht auf Verluste kämpfte er sich durch den Dschungel der verlassenen Stadt und verließ sich dabei ganz auf seine Erfahrung und seinen untrüglichen Instinkt.
    Bislang hatte er Glück gehabt . A uf der ganzen Strecke entlang der Bassejnaja-Straße war ihm noch keine einzige Bestie begegnet. Taran nutzte die überraschende Zurückhaltung der örtlichen Fauna und bahnte sich noch schneller seinen Weg über umgestürzte Masten und gähnende Risse im Asphalt.
    Natürlich konnte das nicht ewig so weitergehen. Kurz bevor er den Witebski-Prospekt erreichte, kam es doch zu einer unliebsamen Begegnung. Der Söldner war darauf eingestellt, von krallenbewehrten oder geflügelten Monstern attackiert zu werden, deshalb stutzte er, als plötzlich eine menschliche Gestalt vor ihm auftauchte.
    Aus der Ferne erinnerte der Unbekannte an einen Totengräber, allein schon wegen des knöchellangen Mantels und der Kapuze, die sein Gesicht verbarg. Bei genauerem Hinsehen erwies sich das Gewand jedoch als schäbiger, sackartiger Umhang, der mit den Mänteln der postatomaren Siechknechte nur wenig gemein hatte.
    Der Typ sah aber auch nicht wie ein Stalker aus. Kein Schießeisen, keine schusssichere Weste … Vielleicht ein überlebender Einsiedler, der auf der Suche nach Essbarem aus seinem Bunker gekrochen war?
    Taran winkte dem Fremden zu. Der zögerte kurz und winkte dann halbherzig zurück. Die Bewegung wirkte unbeholfen wegen der viel zu weiten Ärmel, die wie Flügel herabhingen.
    »Woher kommst du?«, rief der Söldner, während er sein Gegenüber misstrauisch musterte.
    Keine Antwort. Irgendwas gefiel dem Stalker nicht an dem Fremdling . A uch sein Auftauchen war merkwürdig. Während der ganzen Zeit, als Taran auf ihn zugegangen war, hatte er keinerlei Versuch unternommen, sich vom Acker zu machen, ja, er hatte sich noch nicht einmal bewegt. Stand nur da wie ein Ölgötze mitten auf der

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