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Die Reise in die Dunkelheit

Die Reise in die Dunkelheit

Titel: Die Reise in die Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Djakow
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Zähnen zwängte er sich als Erster durch das staubige Schlupfloch. Hinter der Wand befand sich ein vertikaler Schacht. Der Junge leuchtete hinunter . A ußer einem Haufen Bauschutt war nichts zu sehen. Der einzig gangbare Weg führte nach oben – über Sprossen, die in die Wand gemauert waren.
    Für Gleb war eine solche Kletterpartie nichts Besonderes, doch das Mädchen kostete der gefährliche Aufstieg einige Nerven und blutige Finger. Die stickige Luft in der engen Betonröhre machte es auch nicht gerade leichter.
    Die undurchdringliche Finsternis wirkte bedrückend. Deshalb atmeten die beiden Halbwüchsigen erleichtert auf, als der enge Schlauch endlich in einem Abwasserkanal mündete. Hier übernahm Aurora wieder die Führung. Dem Jungen war es ein Rätsel, wie sie sich in dem Labyrinth feuchter Gänge orientierte.
    Mehrmals mussten sie glitschige, steile Schächte hinaufsteigen . A usrutschen war verboten – man konnte sich dabei ohne Weiteres den Hals brechen. Der Junge registrierte mit Sorge, dass sie sich immer mehr der Oberfläche näherten . A ls die gewölbten Betonsegmente von schrägen, mit Balken verschalten Wänden abgelöst wurden, beschleunigte Aurora ihren Schritt.
    »Schon mal was vomApraxin dwor gehört? Bereits im achtzehnten Jahrhundert gab es dort einen Markt. Und darunter Lagerräume, die durch ein Netzwerk von Gängen miteinander verbunden waren. Wenn ich mich nicht sehr täusche, befinden wir uns gerade in einem von ihnen.«
    Dummerweise besaß der Junge nicht ein einziges Buch über die Geschichte der Stadt. Deshalb fiel ihm zu dem berühmten Markt an der Oberfläche nichts wirklich Nützliches ein.
    Der schmale Gang endete abrupt . A n seinem Ende befand sich eine gewöhnliche Holztür, die durch die Feuchtigkeit schwarz geworden war . A ls Gleb leicht dagegendrückte, fiel sie nach innen und zerbrach in morsche Brocken.
    Die Weggefährten fanden sich in einem weitläufigen, von Spinnweben verhangenen Keller wieder. Die Decke war niedrig, und das schwache Licht der Taschenlampen reichte nicht bis zur gegenüberliegenden Wand. Eine Reihe massiver Säulen, die verfallenden Backsteinwände und der typische Modergeruch dieses verlassenen Gemäuers vermittelten ein atemberaubendes Gefühl: Dieser Ort hatte Jahrhunderte überdauert.
    An einigen Pfützen vorbei durchmaßen die Kinder den Raum und gelangten durch einen kleinen Durchgang in den nächsten. Schon bald eröffnete sich ein ganzes Labyrinth von Kellern, die durch ein Netzwerk schmaler Korridore verbunden waren.
    »Diese Keller wurden noch von den damaligen Kaufleuten gebaut. Hier lagerten sie ihre Waren wie in Kühlhäusern.« Fasziniert fuhr Aurora mit der Hand über das grobe Mauerwerk. »Ich habe gelesen, dass es unter dem Apraxin dwor sogar geheime Manufakturen gab, in denen Sträflinge gearbeitet haben.«
    »Ob es Sträflinge waren, weiß ich nicht, aber irgendwer hat hier tatsächlich Kleidung genäht«, sagte Gleb, der einen Blick in den Nachbarraum warf. »Nur nicht im achtzehnten Jahrhundert, sondern viel später.«
    Neben dem Eingang lagen Berge von Säcken mit halb vermoderten Stoffrollen und stapelweise verfaulte Kartonschablonen herum. Die in gleichmäßigen Reihen angeordneten Tische mit Nähmaschinen wirkten in den alten Katakomben völlig fehl am Platz.
    Es bestand kein Zweifel daran, dass die Kinder auf eine ehemalige illegale Fabrik gestoßen waren. Gleb blieb neben einem der Tische stehen und betrachtete ein verblichenes Foto, das an der Arbeitslampe hing . A uf dem Bild war eine Frau in einem bunten Kleid zu sehen und drei Kinder, die über beide Ohren grinsten . A lle vier hatten die Augen zu schmalen Schlitzen zusammengekniffen. Gleb vermutete, dass sie von der Sonne geblendet waren.
    Interessanter fand er die gigantische Mauer, auf der die kleine Familie posierte. Das endlose Bauwerk schlängelte sich über Bergrücken hinweg und reichte praktisch bis zum Horizont. Schutz vor Mutanten? Unsinn. Vor der Katastrophe gab es keine Mutanten! Der Mensch hatte keine Feinde außer sich selbst … Hatte man früher tatsächlich so einen immensen Aufwand betrieben, um sich vor seinesgleichen zu schützen?
    Im nächsten Raum befand sich eine Werkstatt, in der einst »gefälschte Handys« zusammengebaut wurden. So hatte Aurora die bunten Kästchen mit den vielen Knöpfen genannt, die überall herumlagen. Mikrochips, Drähte, Lötkolben – der Junge hatte keine Ahnung, wozu diese ganzen Gerätschaften gut waren, und es

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