Die Reise in die Dunkelheit
dazu, es nicht zu tun. Der Grund dafür waren einschlägige Gerüchte. Schon mehrfach hatte er gehört, dass die Angst im Tunnel eine mysteriöse Eigendynamik entwickeln und reale Widrigkeiten buchstäblich anziehen konnte. Wenn man ruhig blieb und an nichts Böses dachte, kam man unbeschadet durch, wenn man sich jedoch in die Hose machte, war Unheil garantiert.
Seine Begleiterin erwies sich als weniger nervenstark . A ls säße sie auf Kohlen, rutschte Aurora hin und her und spähte verängstigt in die Dunkelheit.
»He, Irrwisch«, rief ihr Kostroma zu, als er das Gezappel des Mädchens bemerkte. »Hast du Schiss, oder was? Wir sind doch auf Linie 2, Dummchen. Ist sicher wie Konto bei Schweizer Bank.«
Aurora senkte verlegen den Blick und wurde rot. Von da an saß sie reglos da und gab keinen Mucks mehr von sich. Erst als nach einer Kurve die Einfahrt in die Technoloschka zum Vorschein kam, seufzte sie erleichtert auf.
Um wenigstens einen Teil der verlorenen Zeit wieder hereinzuholen, erledigte der Trossführer die Formalitäten in Rekordgeschwindigkeit . A urora kam nicht einmal dazu, sich die berühmte Station genauer anzusehen. Dabei hatte Gleb sie ziemlich neugierig gemacht, als er ihr von den enormen technischen Möglichkeiten der Siedlung und ihren hochgebildeten Bewohnern erzählte.
Kostroma drückte den Wachposten die für die Durchfahrt fälligen Patronen in die Hand, lud eilig die für die Masuten bestimmten Waren ab und setzte die Fahrt fort.
Wieder ein Tunnel. Und wieder allgegenwärtige Finsternis, die diesmal jedoch schon weniger beängstigend wirkte. Das gleichmäßige Schnurren des alten Motors wirkte beruhigend. Gleb machte es sich bequemer auf den Säcken. Für einen Augenblick kam ihm sogar der verlockende Gedanke, es den beschwipsten Händlern gleichzutun und ein wenig zu dösen.
Die Gedanken flossen träge. Das Klopfen der Räder auf den Gleisstößen wirkte hypnotisierend und versetzte die Passagiere in einen tranceartigen Zustand. Umso größer war der Effekt, als der Zug plötzlich mit einer Vollbremsung zum Stehen kam.
»Was ist los? Warum sind wir stehen geblieben?«, riefen die aufgeschreckten Händler durcheinander. »Macht mal einer Licht hier …«
Der Trossführer stieg ohne Eile aufs Gleis hinab, ächzte verblüfft und kratzte sich am Hinterkopf. Mitten auf dem Gleis lag ein massiver Betonträger. Der Bärtige starrte das Hindernis an, als würde er seinen Augen nicht trauen.
Doch Kostroma hatte keine Zeit, sich lange zu wundern . A us der Finsternis raste etwas auf ihn zu, das mit einem unheilvoll säuselnden Geräusch durch die Luft flog. Seine Reaktion kam zu spät. Die Haken einer Enterdregge bohrten sich in seinen Oberarm, und das dünne Tau, an dem sie hing, spannte sich. Mit schmerzverzerrtem Gesicht packte Kostroma das Seil und riss mit aller Kraft daran. In den Lichtkegel stürzte ein barfüßiger Mensch, der von Kopf bis Fuß in alte Lumpen gehüllt war. Die mit schorfigen, nässenden Wunden übersäten Hände des Unbekannten tasteten fieberhaft nach dem am Boden liegenden Ende des Seils.
»Zombel!!«, schrie ein Händler in der vorderen Draisine hysterisch. »Zomb…«
Ein Schienennagel bohrte sich knirschend in den Hals des Ärmsten und trat aus dem Mund wieder aus. Mit einem gurgelnden Röcheln kippte der Mann über die Bordwand. Schreie und metallisches Klirren hallten durch den Tunnel. Von allen Seiten stürmten graue Gestalten herbei, die Hakenstöcke, Spieße und Rohrstücke schwangen.
Nachdem die Passagiere den ersten Schrecken abgeschüttelt hatten, sprangen sie auf und luden ihre Gewehre durch. Kostroma kletterte wieselflink auf die Draisine zurück und zog eine Doppelflinte mit abgegriffenem Holzschaft aus der Werkzeugkiste.
Durch den Tunnel waberte der Gestank ungewaschener Körper. Die graue, gesichtslose Masse der Angreifer brandete wie eine Flutwelle gegen den Tross und umzingelte ihn. Schüsse knallten. Im Licht der Feuerblitze bemerkte Gleb, dass Aurora aufgesprungen war. Gerade noch rechtzeitig zerrte er sie wieder herunter. Ein durch die Luft fliegender Spieß verfehlte den Kopf des Mädchens nur um Haaresbreite.
»Unten bleiben! Und nicht bewegen!«
Die Händler wehrten sich verbissen. Sie wussten, dass sie im Falle einer Niederlage keine Überlebenschance hatten. Die Zombel waren grausam, extrem aggressiv, und man sagte ihnen eine Vorliebe für Menschenfleisch nach. Trotz der äußerlichen Ähnlichkeit sträubte sich alles dagegen, sie
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