Die Reise in die Dunkelheit
als Menschen zu bezeichnen. Ihre Fähigkeit, in verstrahlten Lüftungsschächten und Abwasserkanälen zu überleben, machte sie zusätzlich suspekt. Größere Siedlungen sandten regelmäßig Patrouillen aus, um die stationsnahen Schächte und Korridore von ihnen zu säubern. Doch diese Aussätzigen tauchten immer wieder auf. Gleichsam aus dem Nichts. Wie die Kakerlaken, die sich in der langen Geschichte der Menschheit als unausrottbar erwiesen hatten.
In unmittelbarer Nähe tauchte ein von Eiter zerfressenes Gesicht auf . A urora stieß einen entsetzten Schrei aus . A nstelle der Nase gähnte bei dem Angreifer nur ein Loch, und durch einen Riss in der Oberlippe sah man seine schütteren, krummen Zähne. Instinktiv warf sich Gleb schützend vor seine Begleiterin.
»He, Junge, fang!«
Kostroma warf ihm ein massives Jagdschwert zu.
Es heißt ja, dass Angst ungeahnte Fähigkeiten freisetzt. Jedenfalls bekam Gleb die Waffe im Flug zu fassen und schlug blitzartig zu. Die lange Klinge blieb im Kopf der Missgeburt stecken. Der Zombel zuckte noch einmal und sank leblos unter die Räder.
Die Verteidiger auf der vorderen Draisine hatten es besonders schwer. Gleich mehrere Zombel auf einmal stürzten sich auf Kostroma. Doch mit Schafthieben seiner leergeschossenen Flinte schlug der bärenstarke Trossführer einen Aggressor nach dem anderen zurück.
Abermals wirbelte die Enterdregge durch die Luft. Der Junge duckte sich und sah dann auf. Im Licht der Taschenlampe tauchte Fimas blasses Gesicht auf. Die Frau ruderte grotesk mit den Armen und trippelte schreiend auf den Rand der Draisine zu. Das Seil der fürchterlichen Waffe hatte sich um ihre Taille gewickelt.
Im letzten Moment sprang Gleb ihr hinterher, packte sie am Arm und verhinderte, dass sie über die Bordwand fiel. In ihren Augen stand animalische Angst . A n Gleb geklammert schlug sie verzweifelt mit den Füßen um sich und stieß dabei unverständliche bellende Laute aus . A urora sprang herzu und packte ihren zweiten Arm, doch die Zombel zogen ihr Opfer unerbittlich zu sich heran.
Während Gleb Fima mit letzter Kraft festhielt, sah er sich Hilfe suchend um. Sein Blick fiel auf einen der Händler, die nach ihrem ausgedehnten Zechgelage bis vor Kurzem geschlummert hatten. Während des heftigen Kampfs war der Mann rasch wieder nüchtern geworden. Jetzt kauerte er unter der Sitzbank und zitterte vor Angst.
»Hilf uns!«, schrie Gleb und deutete mit dem Kopf auf das Messer, das im Gürtel des Trunkenbolds steckte. »So hilf uns doch, verdammt!«
Doch der Typ machte keinerlei Anstalten. Er starrte Gleb nur mit weit aufgerissenen Augen an und schüttelte panisch den Kopf.
Im Kugelhagel der Verteidiger hatte sich der Großteil der Zombel zurückgezogen. Nur am Ende des Zugs sprangen noch jene Silhouetten herum, die ihre Beute partout nicht loslassen wollten.
Als Kostroma auf den verzweifelten Kampf um Fima aufmerksam wurde, brüllte er vor Zorn und eilte über wacklig gestapelte Kisten hinweg zu Hilfe … Es fehlten nur ein paar Sekunden. Die verschwitzten Handgelenke der Frau glitten den erschöpften Kindern aus den Fingern. Gleb und Aurora fielen auf den Rücken, während Fima kreischend von der Draisine stürzte.
»Bleib stehen! Zurück! Das ist zu gefährlich!«, riefen die Händler.
Doch Kostroma zögerte keine Sekunde, sprang über die Bordwand und nahm die Verfolgung der Zombel auf, die ihr strampelndes Opfer in der Dunkelheit über die Schwellen zerrten.
Niemand traute sich, den Tross zu verlassen. Erst als Gleb sich wieder aufrappelte und von der Draisine sprang, bequemten sich die Händler, es ihm gleichzutun.
Aus dem schwarzen Schlund der Röhre drangen ferne Schreie. Doch was dort jenseits der Lichtkegel vor sich ging, konnte man nicht erkennen . A uch nachdem sie bereits gut hundert Meter zurückgelegt hatten, schälten die Lampen nur feuchte Tunnelwände aus der Dunkelheit. Der Trossführer war wie vom Erdboden verschluckt. Hatten sie in der Eile womöglich einen Seitentunnel übersehen? Oder forderte der Tunnel einfach seinen Tribut von den Reisenden, indem er ihnen die Geschöpfe der Finsternis auf den Hals hetzte?
»Das war’s dann wohl für Kostroma, Gott hab ihn selig«, sagte einer.
Die Minuten verrannen. In der unheilvollen Stille war nur das Atmen der Händler zu hören.
»Also ich weiß nicht, hier rumhängen …? Wir sollten zurückgehen, Leute. Solange wir noch können …«
In der Dunkelheit hatte Gleb nicht erkennen können, wer
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