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Die Reise in die Dunkelheit

Die Reise in die Dunkelheit

Titel: Die Reise in die Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Djakow
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das gesagt hatte. Es spielte auch keine Rolle. Wer auch immer dieser »Held« gewesen war, er hatte nur das ausgesprochen, was alle dachten. Ohne weitere Worte zu wechseln, trotteten die Händler zurück zum Tross.
    Der Feigling, der sich zuvor geweigert hatte zu helfen und damit Fimas und Stepans Schicksal besiegelt hatte, kauerte immer noch unter dem Sitz . A ls Gleb ihn erspähte, drehte er durch. Er sprang zu der Bank und versuchte, den Mann darunter hervorzuzerren . A ls er das nicht schaffte, begann er, mit den Füßen auf ihn einzutreten.
    »Komm raus, du Aas! Los, komm schon, du feige Sau!«
    Der Typ reagierte nicht. Stoisch ertrug er die Tritte des Jungen. Er hielt sich nur die Arme vor den Kopf und versuchte halbherzig, mit angewinkelten Beinen seinen Körper zu schützen.
    Schließlich zogen die anderen Gleb von ihm weg. Der Junge konnte sich überhaupt nicht beruhigen und überzog den Feigling mit hasserfüllten Blicken.
    Der Betonträger, der den Weg versperrte, kostete die Reisenden noch etliche Mühen. Erst mit vereinten Kräften gelang es ihnen, das Hindernis vom Gleis zu ziehen. Einer der überlebenden Händler übernahm den Führerstand der vorderen Draisine. Mit keuchendem Motor setzte sich der Zug in Bewegung, durchfuhr einige Tunnelbiegungen und erreichte schon bald die Frunsenskaja .
    Über den Angriff wurde nicht diskutiert. Mit einem Überfall der Zombel auf einer der sichersten Handelsrouten der Petersburger Metro hatte niemand gerechnet. Schweigend half man zwei Händlern beim Ausladen ihrer Waren, dann nahmen die übrigen Passagiere wieder ihre Plätze ein. Nach wie vor sprach niemand ein Wort.
    Als der Stationsvorsteher schon die Freigabe zur Abfahrt erteilt hatte, kam plötzlich eine breitschultrige Gestalt aus dem Tunnel gewankt: Kostroma. Langsam humpelte der Trossführer zu den Draisinen . A uf den Armen trug er Fimas leblosen Körper. Ihre Augen waren geschlossen, ihr blutverschmierter Mund für immer zu einem stummen Schrei erstarrt.
    Aurora wandte sich ab. Sie legte den Kopf auf die Schulter ihres Weggefährten und begann leise zu weinen. Gleb dagegen beobachtete den herannahenden Stepan. Ein dunkelroter Fleck auf seinem Hemd, ein zermalmtes Ohr und bis aufs Blut zerschnittene Hände zeugten davon, wie verbissen Kostroma um das Leben seiner Frau gekämpft hatte.
    Ohne ein Wort zu sagen, legte er den Leichnam zwischen den Sitzen auf die Stahlplatte des Draisinenbodens und deckte ihn mit einem Stück Sackleinen zu. Dann verscheuchte er den Händler vom Führerstand.
    »Du solltest lieber ins Lazarett gehen …«, sagte der.
    Kostroma reagierte nicht darauf und griff zum Gashebel. Er stand unter Schock. Zu vernunftgesteuertem Handeln war er in diesem Zustand nicht fähig.
    Der Zug nahm Fahrt auf. Den nächsten Tunnel und die Station Moskowskije Worota durchquerte der Tross ohne Zwischenfälle. Doch je näher sie der Station Elektra kamen, desto gebeugter stand Kostroma an seinem Platz und ließ allmählich den Kopf sinken . A lle Versuche, ihm zu helfen, wehrte er barsch ab . A ls die Draisinen am Bahnsteig hielten, kippte Stepan plötzlich um und schlug der Länge nach hin . A us seinen leblosen, glasigen Augen blickte bitterer Schmerz.
    Gleb hielt es für das Beste, die sensible Aurora vom Tross wegzubringen, solange die Stationswache damit beschäftigt war, die Leichen zu bergen und die Passagiere zu befragen. Zudem bot der kurze Aufenthalt die Gelegenheit, jemanden zu besuchen. Diese Gelegenheit wollte er nutzen, so schwer ihm die jüngsten Geschehnisse auch auf der Seele lagen.
    »Komm. Ich stelle dir einen guten Freund von mir vor.«
    Der Junge nahm Aurora bei der Hand und steuerte zielsicher das »Pentagon« an.
    Zu seiner großen Enttäuschung war Dym nicht in der Bar. Einer der Kellner erzählte dem Jungen die abstruse Geschichte von der Schlägerei zwischen Gennadi und Taran. Während der junge Mann das denkwürdige Aufeinandertreffen in allen Einzelheiten schilderte, wuchs das Unverständnis in Glebs Gesichtsausdruck.
    »Und einen Tag später war Dym verschwunden«, berichtete der Kellner in konspirativem Flüsterton. »Gleich nachdem er von der Kernexplosion und dem Ultimatum erfahren hatte. Hat seine Sachen gepackt und tschüss. Wohin und wieso hat er niemandem gesagt.«
    Die unterschwellige Hoffnung, dass sich mit der Ankunft an der Elektra alle Probleme von selbst lösen würden, war geplatzt wie eine Seifenblase. Stattdessen hatten sich zu den vielen Fragen, die Gleb

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