Die Reise ins Licht
Gott …
Gleb richtete sein Licht in das Innere der Halle – und endlich sah er es . Aus einem breiten Riss in der Decke zog sich ein dunkelbraunes, waberndes Gedärm zu den Körpern der Unglücklichen hin. Bisweilen durchlief ein Krampf diese Tentakeln, und man konnte sehen, wie das Blut aus den Körpern der Verdammten gepumpt wurde. Diese unbekannte Kreatur benutzte die Menschen auf perfide Weise als Milchkühe: Sie saugte sich mit ihren Nervenenden am Gehirn der Unglücklichen fest und stimulierte mit dieser eigentümlichen »Hundeleine« das Hungerzentrum des Gehirns. Und die »Menschen« fraßen. Sie würgten Vermodertes herunter, während sie auf dem Boden nach Essbarem tasteten und sich körperlich an der Grenze zwischen Leben und Tod bewegten. Sie waren keine vernunftgeleiteten Wesen mehr.
Ohne nachzudenken und fast ohne zu zielen, schoss der Junge auf den Dickwanst, der noch immer gebetsmühlenartig vor sich hin lallte. Sein Körper zuckte und sank schwerfällig zu Boden.
Ein unbegreifliches, unvorstellbares Zusammenwirken von Umständen. Roh, abstoßend, aber alles in allem effektiv. Wie nannte man so was? Symbiose.
Dies war eine Farm .
Erst jetzt bemerkte der Junge die verendeten Ratten, die dicht auf dem Boden verstreut lagen. Kadaver von fetten, gemästeten Ratten, mit klaffenden Wunden an den Seiten.
Ratten, die die teuflische Kreatur hingeworfen hatte als Köder für eine größere Beute … Mit einem Schlag wurde ihm die Bedeutung der Zeichnung im Keller klar. Es war eine Warnung, hinterlassen von einem Wilden, der am Leben geblieben war.
Gleb wurde übel beim Anblick dieser irrealen Szenerie. Er wollte so schnell wie möglich von diesem furchtbaren Ort verschwinden.
Der Schlag gegen seinen Kiefer kam blitzartig und mit enormer Kraft. Der Junge wurde auf die Stufen geschleudert. Die Pernatsch fiel ihm aus der Hand und verschwand in der Dunkelheit. Die Stirnlampe zerbrach klirrend an der Kante einer Stufe.
Gott sei Dank durch die Maske, schoss es Gleb durch den Kopf. Die Zähne sind ganz.
Im nächsten Augenblick zog etwas seitlich an seiner Maske.
Die Lampe in der Brusttasche – schnell!
Der Lichtstrahl beleuchtete eine feuchte Tentakel, die sich – genau vor seinen Augen – an der durchsichtigen Kunststoffscheibe festgesaugt hatte. Entsetzt schnappte Gleb nach Luft, riss sich die Maske vom Kopf und durchschnitt mit seinem Messer den Luftschlauch. Dann ertastete er die Pistole am Boden und kletterte die Stufen hinauf. Eine zweite Attacke erfolgte nicht. Gleb stürzte nach oben. Er schrie – vor Angst, allein mit der unbekannten Kreatur in dieser völligen Dunkelheit zurückzubleiben.
Seltsamerweise zwang gerade dieses Gefühl seinen Verstand, in die richtige Richtung zu denken.
»Wenn es nur funktioniert … Wenn es nur … Komm schon, alte Kiste, spring an!«
Die langen Nachtschichten im Generatorraum der Moskowskaja waren nicht umsonst gewesen. Der Junge hätte den Dieselmotor auch mit geschlossenen Augen anwerfen können. Nun kam ihm diese Fähigkeit sehr gelegen. Es war kaum zu glauben, aber der uralte Generator sprang tatsächlich an. Einige Sekunden lang krächzte sein rostiges Innenleben vor sich hin, doch dann fuhr er hoch und schnaufte los. Mattes Licht vertrieb allmählich die Dunkelheit im Gang. Gleb erstarrte. Neben ihm stand wankend eines dieser aufgedunsenen Wesen, sperrte gierig seinen stinkenden Rachen auf und streckte die Arme nach ihm aus. Wie von selbst stiegen in Glebs Kopf die Lehren des Meisters hoch. Reflexartig fuhr der Junge zurück und drückte auf den Abzug. Die Schüsse hallten dumpf durch die Anlage. Die Kugeln rissen dem Dicken die Seite auf. Wie aus einem löchrigen Sack schlug graubraunes Gedärm zusammen mit Klümpchen von halbverdautem Essen auf den Boden. Der arme Tropf stand da und blickte stumpfsinnig auf den eigenen Bauch. Ein dümmliches Grinsen zeichnete sich auf seinem Gesicht ab. Dann schöpfte der Dickwanst eine Handvoll Eingeweide aus der Wunde und steckte sie in den Mund.
»Du bist kein Mensch«, sagte Gleb laut, um das Grauen zu unterdrücken und diesen Alptraum zu zerstreuen. »Kein Mensch …«
Der zweite Schuss zertrümmerte dem Dickwanst den Schädel. Der Fangarm löste sich sogleich von der Leiche und zog sich in die Höhle der Kreatur zurück. Gleb überwand seine Angst und stürzte hinterher. Er behielt den Spalt in der Decke im Auge und riss die Waffe hoch.
Die Pernatsch erwachte in seinen Händen zum Leben und schenkte den
Weitere Kostenlose Bücher