Die Reise ins Licht
anderen Untoten die letzte Ruhe.
Erst als er mit dem letzten von ihnen fertig war, bemerkte Gleb plötzlich, dass der Fangarm-Schlauch nicht mehr zu sehen war. Auch in der verfluchten Spalte rührte sich nichts mehr.
Dafür war jetzt im Hauptgang ein schrilles Zirpen zu hören. Gleb wandte sich langsam um und erblickte sie. Die Kreatur.
Sie hing von der Decke, hatte sich mit ihren Tentakeln an dem Beton der Zwischendecke festgesaugt. Es war ein abstoßendes, unmögliches, unglaubliches Monster. Eine Kreuzung aus Krake und Gottesanbeterin. Aus welchem Sumpf war diese Kreatur in diesen Bunker gekommen? Was war der Auslöser für einen solchen Irrtum der Schöpfung gewesen? Die Kauwerkzeuge am Maul der Kreatur bewegten sich rhythmisch, die dunklen konvexen Augen schauten den Jungen regungslos an. Sein Verstand weigerte sich, sie als etwas Reales wahrzunehmen.
Doch die Bestie hatte nicht vor zu verschwinden. Sie hing unbeweglich mitten im Gang und verbreitete einen unerträglichen, widerlichen Gestank.
Gleb stand da wie angewurzelt, zu nichts weiter in der Lage, als seinem eigenen Tod ins Angesicht zu starren. An seinen Beinen floss es warm und feucht herunter. Die Pistole fiel aus seiner zitternden Hand. Eine trügerische Müdigkeit zwang ihn in die Knie. Schicksalsergeben ließ der Junge den Kopf auf die Brust sinken.
»Hinlegen!«
Wie ein Springteufel tauchte plötzlich Taran aus einer Ecke auf, riss seine Kalaschnikow hoch und drückte ab.
Aber das ratternde Sturmgewehr wurde aus seiner Hand gerissen und die Schüsse gingen ins Leere. Das Monster erwies sich als äußerst treffsicherer und kluger Gegner, der die Gefahr, die von der Waffe ausging, einschätzen konnte. Taran wich zurück. Der Puppenspieler folgte ihm ohne Hast und setzte dabei geschickt seine Saugnäpfe ein. Tarans Maschinengewehr war außer Reichweite.
Um den Mutanten so weit wie möglich von dem Lager wegzulocken, stürzte Taran den Gang entlang. Den neuen Angriff der Kreatur sah er nicht kommen. Ein heftiger Schlag gegen die Beine riss ihn blitzartig zu Boden. Der Puppenspieler holte erneut aus und schleuderte einen Fangarm über den nackten Beton – der Stalker konnte gerade noch zur Seite springen. Er raffte sich wieder auf, sprang durch die Türöffnung und warf eine Handgranate hinter sich. Es folgte eine ohrenbetäubende Explosion, ein Betonbrocken flog quer durch den Raum und traf ihn an der Seite. Aus dem Gang strömten dichte Rauch- und Staubschwaden.
Der Stalker holte tief Atem, erhob sich und tastete nach dem Revolver. Durch den Rauch kroch der Puppenspieler heran und klammerte sich mit seinen Tentakeln am Türpfosten fest. Der Körper der Bestie war stellenweise verkohlt. Einige der Fangarme hingen wie schwelende Peitschen herab, noch mehr aber waren abgerissen. Taran eröffnete das Feuer. Immer wieder wurde die Wand von grellen Explosionen erleuchtet. Die Neun-Millimeter-Patronen, die die Nossorog Ref. 23 ausspuckte, schlugen Fontänen von Steinbrocken aus den Betonwänden heraus. Das Monster hätte diese Hölle niemals überlebt, wäre es an seinem alten Platz
geblieben. Den heranfliegenden Schatten bemerkte der Stalker zu spät. Ein rauchender Körper riss den Stalker von den Beinen, und die Gegner wälzten sich brüllend auf dem Boden. Während Taran den klappernden Kiefern auswich, warf er den leeren Revolver beiseite, langte nach dem Messer und rammte die Klinge mit aller Macht in den Körper des Puppenspielers. Die zähe Kreatur zeigte jedoch keine Reaktion, sondern klammerte sich weiter mit den Überresten ihrer Tentakeln an ihrem Opfer fest und versuchte, an dessen Kehle zu gelangen. Der Stalker schlug noch einmal zu – und noch einmal. Er versuchte, den Schädel zu durchstoßen, doch die Klinge glitt unbeholfen ab und verpasste dem Kopf des Tieres nur Kratzer. Seine Kräfte schwanden rasch. Ungeduldig klapperten die Kiefer des Monsters vor seinem Gesicht. Von dem widerwärtigen Gestank trübte sich sein Bewusstsein.
Vor Angst zitternd kroch Gleb in den Raum. Seine Füße kratzten kaum über den Boden, und sein Körper weigerte sich zu gehorchen, doch in seiner Verzweiflung zog sich der Junge mit blutigen Fingern immer näher an seinen Meister heran. Die Pernatsch war irgendwo hinter ihm zurückgeblieben.
Taran spannte seine ganze Kraft an, stöhnte vor Anstrengung und warf die Bestie über den Kopf. Als er obenauf war, hieb er mit dem Messer in den kreischenden Fleischklumpen. Wieder und wieder. Die Kreatur wollte
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