Die Reise ins Licht
einfach nicht krepieren. Sie peitschte mit den Stummeln ihrer Fangarme auf die Panzerweste und klapperte mit ihren Kiefern. Als der Stalker einem neuerlichen Angriff auswich, glitt er auf einer Blutlache aus und wurde sogleich wieder umgerissen.
Seine Hand berührte kalten Kunststoff. Mit angstverzerrtem, verheultem Gesicht schob Gleb seinem Meister den Bohrhammer in die Hand. Jenes Gerät, das die Bauleute damals einfach zurückgelassen hatten. War es Vorsehung? Schicksal? Glück? Es gab keine Zeit für Mutmaßungen.
Taran zog den Bohrhammer zu sich heran. Aus einem unerfindlichen Grund wusste er in diesem Moment, dass er funktionieren würde. Er sammelte all seine verbliebene Kraft, presste die widerstrebende Kreatur mit den Absätzen seiner Armeestiefel gegen die Wand und drückte auf »Start«. Das Gerät heulte auf und der lange, großkalibrige Bohrer begann sich schnell zu drehen. Die Kreatur zuckte und versuchte sich zu befreien, aber der Bohrer war bereits in ihren Schlund eingedrungen, verspritzte Fleischfetzen und schraubte sich schließlich ins Gehirn.
»Verrecke! Verrecke!«, schrie der Stalker mit zusammengekniffenen Augen. »Verrecke!«
Als alles vorüber war, lagen sie einfach da, schweigend, kraftlos, den leeren Blick gegen die Decke gerichtet. Den Jungen schüttelte es. Leise schluchzend kauerte er sich zusammen, vergrub das Gesicht in der Schulter des Stalkers und gab sich einfach diesem überwältigendem Gefühl der Sicherheit hin. In diesem Augenblick wurde Gleb bewusst, dass sich etwas in ihrer Beziehung geändert hatte. Die Anspannung, die den Jungen die ganze Zeit umklammert hatte, hatte sich verflüchtigt. All die Angst und Feindseligkeit, die Taran bei ihm hervorgerufen hatte, waren auf einmal verschwunden.
ZWEITER TEIL
VERLUSTE
7
DER DSCHUNGEL
»Dir ist klar, dass du deinen Posten verlassen hast?« Kondor schritt die Formation der Kämpfer auf und ab und redete dem, der die ganze »Bescherung« verursacht hatte, mit gefährlich leiser Stimme ins Gewissen. »Wegen dir, Welpe, hätten wir alle hier den Löffel abgeben können!«
»Was für ein schönes Kameradengrab«, flüsterte Okun Farid zu und grinste.
»Ne richtige Familiengruft«, ergänzte Ksiwa am anderen Ende der Reihe.
»Schluss mit dem Geschwätz!« Kondor baute sich vor Gleb auf. »Hör mir gut zu, Junge. Ich werde mich nicht wiederholen. Wenn du noch einmal meinen Befehl missachtest, schlag ich dir das Hirn aus dem Schädel, ich bin da nicht zimperlich.«
Vor dem Gesicht des Jungen schwebte eine imposante Faust. Gleb blickte sich unsicher nach seinem Meister um, der nicht lange auf sich warten ließ:
»Und ich stopfe die Fetzen wieder zurück und mach das Ganze nochmal.«
Die morgendliche Abreibung konnte die Stimmung des Jungen nicht trüben. Er war am Leben geblieben, und das
war verdammt großartig. Das Veilchen unter seinem Auge würde vergehen. Für das zerbrochene Nachtsichtgerät hätte er noch viel mehr einstecken können.
Der Trupp traf alle Vorbereitungen für den Marsch und setzte seinen Weg über die Sankt Petersburger Chaussee fort. Ein leichter Schneewind wirbelte über die Asphaltreste und riss abgefallenes Laub sowie feinen Sandstaub mit sich. Die Stalker rückten in geordneter Formation durch das wilde, unbekannte Gebiet vor. Die Vegetation um sie herum wurde immer dichter und dichter. Breitblättrige, grüne Giganten wechselten sich ab mit einem üppigen Dickicht aus mutierten Büschen, aus deren Innerem in einem fort das Geheul von unbekannten Raubtieren zu den Gefährten herüber drang. Als sie in die Nähe des ehemaligen Michailow-Parks kamen, führte Taran den Trupp von dem Pfad weg. Die Überreste der Straße ließen sich nur noch mit Mühe als solche bezeichnen. Die Geigerzähler tickten hektisch, weshalb der Anführer immer weiter nach links auswich, bis der Trupp auf eine Reihe zweigeschossiger Häuschen stieß, die in einem Teppich aus hohem, dichtem Gras versanken.
»Das ist die Michailowka. Früher mal eine Elitesiedlung.« Der Anführer prüfte die Karte. »Wir gehen da durch. Das Gebiet dahinter ist unbebaut – sie hatten dort einen Golfplatz. «
Die Stalker passierten vorsichtig die verstreuten, schon ziemlich schief gewordenen Landhäuser. Gleb versuchte sich vorzustellen, welche Kraft die Dächer von den auf den ersten Blick stabilen Häusern hatte herunterreißen können. Er wunderte sich, dass jedes dieser seltsamen Gebäude
für sich allein stand. In der Metro war es am
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