Die Reise ins Licht
In periodischen Abständen blieb es stehen, blickte sich um und fuhr wachsam mit der Mündung seines schweren Maschinengewehrs das Dickicht am Wegesrand entlang.
»Keine Ahnung, was das ist …« Dym verzog das Gesicht. »Riecht wie Verfaultes.«
»Allerdings«, stimmte Ksiwa ihm zu. »Als ob jemand krepiert ist.«
Tatsächlich: Durch ihre Luftfilter drang zunehmend der Geruch von Fäulnis. Gleb runzelte die Stirn und versuchte, nur jedes zweite Mal zu atmen – ohne Erfolg. Von dem widerlichen Gestank wurde ihm übel.
»Chef, schau doch mal auf die Karte. Was kommt da vorn?« Schaman schaute angespannt voraus.
Kondor schnallte die Kartentasche auf.
»Der Park ›Sergijewka‹ Ref. 30 . Und da ist noch eine handschriftliche Anmerkung: FIB …«
»Forschungsinstitut für Biologie.« Taran ignorierte den Gestank und lief munter den schmalen asphaltierten Streifen entlang. »Bald müsste eine Schneise kommen und links auf einer Anhöhe der Institutskomplex.«
»Na ja, laut Karte.« Ksiwa blickte nervös um sich. »Wer weiß, was nach so vielen Jahren dort …«
Der Kämpfer stockte mitten in seiner Rede. Der Wald hörte plötzlich auf, und ihnen bot sich ein erstaunlicher Anblick. Tatsächlich querte hier eine breite Schneise ihren Weg: Zur Rechten ging sie bis ans Ufer des Finnischen Meerbusens, zur Linken stieß sie auf das Gerippe eines alten Gebäudes. Solche Ruinen hatte Gleb auf ihrer kurzen Reise schon oft zu sehen bekommen. Aber nicht sie waren es, die die Aufmerksamkeit der Gefährten auf sich zogen. Die ganze Schneise war übersät von seltsamen Gebilden: Graugelbe Stiele waren das, etwa eine Handbreit hoch, deren schmale Hüte einen braunen Schleim absonderten. Sie füllten die ganze Fläche aus, von dem einen Waldrand zum anderen. Für einen Augenblick dachte Gleb sogar, dass sich diese abscheulichen Sprösslinge leicht bewegten.
»Die Gemeine Hundsrute, ohne Zweifel.« Die junge Frau hockte sich nieder und betrachtete ein Exemplar dieser ungewöhnlichen Entdeckung aus der Nähe.
»Gemeine was?«
»Das sind Pilze. Ungenießbare allerdings. Genau wie im Buch. Nur ein wenig größer.«
»Pilze?« Ksiwa hockte sich neben sie. »Hätt ich nicht gedacht, dass du so drauf bist …«
»Halt die Klappe. Was kann ich dafür, dass unsere Familie nur ein Buch hatte? Und dann auch noch eine Enzyklopädie
über die Flora der Erde.« Nata fuhr fort, die stinkenden Missgestalten zu untersuchen, von denen die ganze Lichtung übersät war.
»Das sind nicht zufällig Psychopilze? Vielleicht sollten wir den ›Stummeln‹ ein paar Kilo rüberschieben?«
»Wenn du könntest, Okun, du würdest sogar deine Seele verkaufen!« Farid lächelte.
»Hängt vom Preis ab …« Okun zwinkerte seinem Freund zu. »Von den Pilzen kommt also dieser Gestank.«
»So vermehren sie sich.« Nata stieß das nächststehende Exemplar mit ihrer Stiefelspitze an. »Sie ziehen mit ihrem Geruch Fliegen an, und die verbreiten dann die Sporen.«
»Widerliches Zeug.« Ksiwa verzog das Gesicht.
Unterdessen war Taran weiter vorausgegangen und besah sich die Pilzwiese näher.
»Gut, wenn es Fliegen sind. Aber irgendwie scheint mir, dass …«
Wie um seinen Verdacht zu bekräftigen, erhob sich über der Pilzwiese ein leichter Dunst, und dann ertönte ein immer lauter werdendes, unangenehmes Sirren. Die Luft des allmählich anbrechenden Tages trübte sich von Myriaden winziger Insekten.
»Sumpfteufel«, stöhnte der Wegführer verzweifelt auf.
Die Kämpfer starrten den Stalker fragend an. Der wich langsam zurück, außerstande, den Blick von der immer dichter werdenden Schar der Mücken über der Lichtung abzuwenden. Gleb fasste sich als Erster. Er sprang auf den Weg, zog seinen Meister mit sich fort und stürzte auf die gegenüberliegende Seite des Waldes zu. Die anderen stürmten ihnen nach.
»Langsam find ich’s nicht mehr witzig!«, brummte Gennadi im Laufen. »Hab ich ein Déjà-vu, oder rennen wir schon wieder?! Das ist kein Marsch, sondern der reinste Marathon!«
Die Kämpfer erreichten den Waldrand und bemerkten erst jetzt, dass einer fehlte. Als sie sich umdrehten, erblickten sie den Sektierer. Ischkari stand immer noch auf der anderen Seite der Lichtung. Ein leichtes Beben hatte ihn erfasst, während er gebannt den gefährlichen Mückenschwarm beobachtete.
»Was stehst du da, Idiot! Lauf her! Schnell!«
Bruder Ischkari reagierte nicht. Nur sein Blick senkte sich auf sein Gebetsbuch, das wer weiß woher in seinen
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