Die Reise ins Licht
einen Blick zuwarf, grinste sie. Um die Zeit totzuschlagen, hatte der sein Lieblingsmesser herausgeholt und fuhr damit konzentriert über einen Schleifstein.
Gleb hatte sich in einiger Entfernung bei den Habseligkeiten seines Meisters niedergelassen und betrachtete das Schiff.
»Das ist doch nicht die ›Warjag‹?«, fragte er Ischkari.
»Nein, Jüngling. Die Arche werden nur jene erblicken, die alle Prüfungen ohne Angst bewältigen. Wir haben schon vieles ertragen, aber anscheinend nicht genug, um ›Exodus‹ unseren Glauben zu beweisen und unser Streben nach …«
»Nicht genug?«, unterbrach ihn Nata und wandte sich um. »Hast du ›nicht genug‹ gesagt?«
»Fährnisse und Entbehrungen stärken den Geist, denn Opfer sind unvermeidlich. Sie sind der Tribut für die Errettung der Würdigen.«
»Tribut?« Die junge Frau kochte langsam hoch. »Deiner Meinung sind Okun, der Belgier, Ksiwa und Dym nur ein Tribut? Und du bist dann natürlich der Würdigste …«
Zornig ging Nata auf den Sektierer los. Der wich zurück, blickte seine Gegnerin aber weiter herausfordernd an.
»Glaube, und du wirst errettet werden! Andernfalls wirst du nur die Reihen jener Märtyrer auffüllen, die untergehen müssen, auf dass die Auserwählten gerettet werden.«
»Ah ja, die Auserwählten.«
Nata stand kurz davor, sich auf den Sektierer zu stürzen, als der Kommandeur sie zu besänftigen versuchte.
»Lass gut sein, Nata! Als ob du dieses Gefasel zum ersten Mal hörst …«
»Dies ist kein Gefasel, sondern die Lehren des Dieners von ›Exodus‹! Du sprichst ketzerisch. Besinne dich, oder du fällst der Verwesung anheim wie eure Gefährten!«
Kondor konnte nicht mehr einschreiten. Schon wollte er aufspringen, aber die junge Frau kam ihm zuvor. Mit einem Satz war sie bei dem Sektierer und warf sich auf ihn. Ischkari heulte erschrocken auf, war jedoch allem Anschein nach entschlossen, seine Prinzipien bis zum Schluss zu verteidigen. Die Atemmasken flogen zu Boden, und ein Handgemenge begann. Nach einigen wuchtigen Fausthieben der jungen Frau stürzte der Sektierer in den Sand, und eines seiner Augen lief blau an. Die Arroganz war aus seinem Gesicht verschwunden, der verzerrte Mund aber flüsterte noch immer die ewig gleiche, wahnsinnige Litanei.
»Im Vergleich zu ihnen bist du nicht mal einen Pfifferling wert! Also halt dein schmutziges, stinkendes Maul!«
Bruder Ischkari blickte gehetzt auf die über ihm thronende junge Frau. Dann schrie er plötzlich: »Exodus sei mit mir!« und rammte ihr sein ganzes Gewicht in den Leib. Kopfüber rollten sie durch den Sand und rissen Kondor nieder. Mühsam stand dieser wieder auf und warf sich fluchend auf die Kämpfenden, um sie zu trennen.
Nun waren alle drei ineinander verkeilt. Endlich gelang es dem Kommandeur, wieder auf die Beine zu kommen und die Streithähne auseinanderzubringen. Erst jetzt wurde dem Kämpfer klar, dass er sein Messer in der Rauferei verloren hatte. Er blickte sich um. Auf Ischkaris Mantel schimmerte ein roter Fleck. Der Sektierer erhob sich und tastete sich erschrocken ab.
Nein, das Blut war nicht von ihm. Ischkari atmete erleichtert auf und sah Kondor ratlos an. Der wandte sich erschrocken der jungen Frau zu.
Nata lag zusammengekrümmt neben ihnen, röchelte leise und presste die Hände gegen den Hals. Aber diese Wunde ließ sich nicht so einfach zudrücken. Leuchtendes Blut strömte durch ihre Finger und tropfte auf die Erde.
Woher?!
Etwas oberhalb von Natas Schlüsselbein ragte ein Messergriff hervor.
»Nein …« Der Kämpfer fasste sich an den Kopf und stürzte zu der jungen Frau hin, fiel auf die Knie und nahm sie in seine Arme. »Wie ist das möglich? Ich wollte nicht … Konnte doch nicht … Hätt ich es nur vorher weggetan …«
Natas Körper verkrampfte sich. Wenige Augenblicke später war sie still. Die Augen der Frau erstarrten mit einem Ausdruck der Verwunderung. Versteinert verfolgten die Stalker die Tragödie.
Kondor heulte auf. Der Kommandeur stieß einen langgezogenen, tierischen Schrei aus, voller Verzweiflung, Schwermut und Hoffnungslosigkeit. Dann wiegte er den leblosen Körper in seinen Armen und begann zu schluchzen.
Ischkari lag in einiger Entfernung am Boden. Seine Lippen bebten, und aus seinen Augen flossen große Tränen – auch seine Nerven lagen nun blank.
Wenig später fuhr Kondor auf und stürzte sich brüllend auf Ischkari. »Du warst das, du bist an allem schuld! Wegen dir ist alles so gekommen!«
Der Sektierer lag
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