Die Reise ins Licht
da, den Kopf in seinen Armen vergraben, zu einem Knäuel zusammengerollt, und erduldete unterwürfig die Schläge des vor Kummer wahnsinnig gewordenen Stalkers. Es ist ungewiss, womit das geendet hätte, doch auf einmal lief Schaman hinzu und riss den Kommandeur grob zur Seite.
»Es reicht! Es reicht, hab ich gesagt! Reiß dich zusammen! «
Kondor starrte mit abwesendem Blick auf die Erde. Dann öffnete er seine blutigen Fäuste.
In diesem Augenblick ertönten auf dem Schiff Schüsse. Gleb schaute besorgt in Richtung Meer und versuchte die Silhouette seines Meisters auf dem Kreuzer auszumachen – vergeblich. Ihm wurde plötzlich bewusst, wie schwach der Trupp ohne Taran war. Und dass ein Unglück immer dann passierte, wenn der Wegführer nicht in der Nähe war.
Seit der Trupp die Metro verlassen hatte, war er ständig von Pech und Unheil verfolgt worden. Die Welt an der Oberfläche, die der Mensch verlassen hatte, wollte ihn nicht zurückhaben. Das geheimnisvolle Licht, das sie hierhergelockt hatte, war verloschen, es versteckte sich wie ein Geist, ein Sumpffeuer. Würden sie den Weg zum Licht finden, zur Hoffnung durch die Schrecken der oberen
Welt? Wie viele Kämpfer würden lebend ankommen? Vielleicht einer. Vielleicht auch gar keiner.
»Warum habt ihr nicht gleich noch ein paar Böller abgeschossen? « Taran trat an das Feuer heran, das von den Gefährten direkt am Ufer entfacht worden war. »Ihr seid kilometerweit zu sehen.«
Gleb lief auf seinen Meister zu. Kaum hatte er ihn aus dem Wasser kommen sehen, als er eine ungeheure Erleichterung verspürte. Taran streckte seine Hände zum Feuer und bemerkte erst jetzt die in eine Decke gehüllte Leiche. Für einen Augenblick erstarrte er – dann ließ er seinen Blick vom einen zum nächsten wandern. Plötzlich krümmte er sich zusammen und sprach mit gesenktem Kopf: »Wie ist das passiert?«
Kondor blickte den Wegführer unheilvoll von der Seite an, schien etwas sagen zu wollen, überlegte es sich aber doch anders und wandte sich ab.
Schließlich erhob der Mechaniker seine Stimme: »Es war ein Unfall. Sie ist auf ein Messer gestürzt.«
Während der Schilderung gab Taran keinen Laut von sich. Gleb versuchte die ganze Zeit, die Augen des Meisters unter der Kapuze zu erkennen, doch der Stalker hatte die Kapuze tiefer als sonst über sein Gesicht gezogen. Dann verstummte Schaman und der Stalker seufzte tief.
Kondor sprang auf, stellte sich dem Wegführer gegenüber.
»Na, was willst du sagen? Was?! Ja, ich habe sie umgebracht! «
»Das hast du allerdings.« Taran stand auf und sah dem Kommandeur finster in die Augen. »Du nennst meinen
Jungen einen Welpen. Dabei seid ihr selbst durch und durch wilde Tiere. Ihr werdet einander noch totbeißen, bevor wir ans Ziel gelangen.«
Kondor ging in die Luft. »War’s das? Ist das alles?«
»Mein Auftrag ist es, euch ans Ziel zu bringen«, erwiderte der Stalker dumpf. »Diesen Auftrag werde ich erfüllen. Und nur darüber spreche ich.« Er schwieg und musterte Kondors Gesicht. »Für die Frau wirst du dich schon selbst bestrafen.«
»Hör zu, Chef«, mischte sich Schaman ein. »Wir müssen unsere Mission zu Ende bringen. Und ich denke, dass … Also, Taran sollte den Trupp anführen.«
Kondor zuckte zusammen, widersprach jedoch nicht sofort.
Nur wenige Tage zuvor, als Gleb den tapferen Stalker das erste Mal gesehen hatte, hätte er nie gedacht, dass der Kommandeur einen derart hilflosen und gebrochenen Eindruck machen könnte.
»Zum Teufel mit euch«, sagte der schließlich, ohne die Augen zu heben.
»Meine Bedingungen kennt ihr.« Taran schob mit seinem Stiefel die Kohle auseinander und löschte das Feuer. »Wenn ihr widerspruchslos das befolgt, was ich sage, dann wird niemand mehr sterben. Haben das alle verstanden?«
Die Stalker nickten. Der Wegführer ging zu dem Sektierer, der etwas weiter weg saß. »Und zu dir, du komischer Kauz. Ich rate dir dringend, deine Predigten künftig für dich zu behalten. Wenn du noch einmal ohne mein Wissen die Klappe aufmachst, puste ich dir den Schädel weg, kapiert?«
Ischkari wollte zuerst widersprechen, doch Taran richtete unzweideutig die Mündung des Gewehrs auf ihn. Der Anblick der Kalaschnikow war so furchteinflößend, dass Ischkari nur beflissen nickte. Taran kramte in seiner Tasche, zog einen Stapel Fotografien hervor und warf sie dem Sektierer auf die Knie. Rings um Ischkari lag nun ein Haufen Ansichtskarten, auf denen alle möglichen Schiffe abgebildet
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