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Die Reise ins Licht

Die Reise ins Licht

Titel: Die Reise ins Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Djakow
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am ganzen Körper.
    »Beruhige dich.« Der Mechaniker bückte sich, darauf bedacht, nicht in die Pfütze des geronnenen Blutes zu treten, und drehte Ksiwas Kopf.
    Ein glasiger Blick. Dünne, blutleere Lippen, geschlossen zu einem geraden Strich.
    Schaman sah den Kommandeur missbilligend an. »Was hat dich geritten mit dieser Granate? Er hatte doch sowieso schon ein paar Schrauben locker. Heut Nacht hat er ständig vor sich hin gebrummelt, um Vergebung seiner Sünden gebetet.«
    »Das kann doch nicht sein, dass Ksiwa diesem Blödsinn aufgesessen ist! Wir beide haben schon ganz anderes durchgestanden. « Kondor starrte noch immer mit geballten Fäusten auf den steif gewordenen Körper des Kämpfers, als traue er seinen eigenen Augen nicht. »Wie kann das sein, Bruder?«
    »Wer im Geist schwach ist, ist auch schwach im Verstand«, seufzte Ischkari. »Der Tunnel hat ihn geholt.«
    »Der Tunnel …« Kondor beugte sich über den Körper seines Kameraden und schloss ihm vorsichtig die Augen.
»Ich weiß nicht, was du vorhattest, Ksiwa, aber du hast dich geirrt. Mächtig geirrt. Leb wohl.«
    »Wir sollten ihn beerdigen«, war Farids Stimme zu vernehmen.
    »Das ist eure Angelegenheit. Ich halte Wache.« Taran warf sich die Kapuze über die Atemmaske, zog sein Sturmgewehr näher an sich heran und erklomm die sandige Aufschüttung neben der Auffahrrampe des Tunnels.
    Der vorsorgliche Schaman zog aus seiner Ausrüstung einen Klappspaten hervor. Farid, Nata und er suchten einen ruhigen Ort in der Senke aus und machten sich daran, ein Grab auszuheben, wobei sie einander abwechselten. Nach ein paar Stunden war alles vorbei: die linkische Abschiedsszene, die kärglichen Phrasen der Kämpfer. Nur Kondor sagte kein Wort mehr. Gleb bemerkte, wie hohlwangig der Kommandeur in den letzten Tagen geworden war. Jeder neue Verlust traf ihn zunehmend schwerer.
    Die merklich kleiner gewordene Truppe verließ den Tunnel und rückte langsam entlang der Sandhügel vor. Ksiwas angsterfülltes Gesicht hatte Gleb noch lange vor Augen. Gewitterwolken überzogen den Himmel mit einer dichten, undurchdringlichen Decke. Von Zeit zu Zeit brach ein gleißender Lichtschein durch die Wolkendecke, Vorbote eines herannahenden Gewitters. Schon konnten sie das erste Donnergrollen vernehmen. Dann legte sich der Wind mit einem Mal. Es war, als wäre die Luft schlagartig zusammengepresst worden. Die Natur erstarrte in Erwartung des Aufruhrs der Elemente.
    Während die Stalker den Sanddamm hinaufstiegen, hoben sie immer wieder beunruhigt ihre Blicke in den bleiernen
Himmel. Vor ihnen erstreckte sich die Insel Kotlin Ref. 33 . In der Ferne ragten sich rechter Hand undeutlich die Ruinen von Kronstadt auf. Die Blicke der Gefährten waren jedoch auf die andere Seite gerichtet. In den Ufergewässern links des Damms zeichneten sich durch den Nebeldunst die Umrisse eines riesigen Schiffes ab.

12
DIE ARCHE
    Die Stalker beschleunigten ihre Schritte, als sie die Silhouette des eisernen Leviathans erblickten. Keiner schrie auf oder zeigte offen seine Freude – als fürchteten sie, dadurch das Glück zu verscheuchen. Gebannt schauten sie auf die raubtierähnlichen Umrisse des Kreuzers, der sich stolz über der Wasserfläche des Meerbusens erhob. Ihre Beine trugen sie wie von selbst zu dem wunderlichen Fund. Schließlich hielten sie es nicht mehr länger aus und begannen zu laufen – sogar Bruder Ischkari beschleunigte seinen Schritt. Wie sie so die Wasserkante entlangjagten, hatten sie ihre Erschöpfung völlig vergessen.
    Gleb wollte ihnen gerade hinterherlaufen, als ihn sein Meister am Ärmel zurückhielt.
    »Wohin so eilig? Hast du vergessen, was ich dir beigebracht habe?«
    Taran nahm sein AK-74 fester und beobachtete unentwegt die Uferzone. Meister und Schüler rückten langsam am Ufer vor und behielten die Umgebung aufmerksam im Auge. Trotz der Warnungen seines Meisters blickte der Junge immer wieder gebannt zu dem Schiffskoloss hinüber, dem sie sich allmählich näherten. Wie zum Trotz verdeckten
Nebelschwaden den größten Teil des Schiffes und hinderten ihn daran, seine ganze Pracht und Größe zu bestaunen.
    Freude überkam Gleb. All die Gefahren und Entbehrungen der gefährlichen Expedition hatten sich gelohnt. Endlich hatten sie sie gefunden: die Arche, die sie ins Gelobte Land führen würde. Während der Junge neben seinem Meister lief, dachte er, wie großartig es sein würde, genau so zu zweit auf den breiten Prachtstraßen einer gefahrlosen Stadt spazieren

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