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Die Reise ins Licht

Die Reise ins Licht

Titel: Die Reise ins Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Djakow
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war einfach zu schwach. Zuerst begann die Decke in den Ecken zu schimmeln, dann wurden auch die Wände grün. Es war ein furchtbar zähes Zeug.
    Eines Morgens kamen wieder Soldaten von unten herauf. Diesmal in C-Waffen-Schutzanzügen und mit Gasmasken. Die Leute wurden ganz aufgeregt, denn sie dachten, wenn schon die Aufklärer losgeschickt würden, wäre die Zeit des Wartens sicher bald vorbei. Und sie brannten ja nur so auf Neuigkeiten. Nur waren die nicht ganz so fröhlich. Die hermetische Tür ließ sich öffnen, aber das Tor
am Ausgang regte sich keinen Zentimeter. Vielleicht war es verschüttet worden, oder es war sonst was passiert, jedenfalls blieben alle Anstrengungen ohne Erfolg. Die Leute gerieten in Panik und fragten die Soldaten aus. Also hielt deren Chef wieder eine Rede. Wir sollten uns nicht aufregen, angeblich gebe es auf dem Objekt einen Reserveausgang. Besser gesagt: auf der Karte. Tatsächlich sei es ein noch nicht ganz fertiggestellter Tunnel. Dennoch sei es möglich, sich von dort an die Oberfläche zu graben, und genau das würden sie da unten bereits machen.
    Ich erinnere mich noch genau, wie der Mann ganz aufrichtig diesen Unsinn gefaselt hat. Egal, das Volk glaubte ihm damals. Schließlich war das eine Stresssituation. So ist sie eben, die menschliche Psyche. Die Menge brauchte nur zu erfahren, dass jemand die Situation unter Kontrolle hatte, und schon beruhigte sie sich. Und verwandelte sich in eine apathische Herde.
    Die Monate vergingen. Das Volk verkam, wurde schwermütig. Vor Nichtstun verlor es allmählich den Verstand. Die Militärs, die rechtzeitig kapiert hatten, dass das Volk Ablenkung benötigte, brachten einige Schachteln Schach und Dame, Karten und Domino herauf. Die Stimmung wurde merklich besser. Es wurde heftig gespielt, egal ob Jung oder Alt. Irgendwann begannen sie dann um Einsätze zu spielen: Essen, Kleider. Es kam eigentlich alles in Umlauf, was sich die Leute zurückgelegt hatten. Schließlich kam es zu Schlägereien, und die Militärs griffen erneut ein. Nun nahmen sie uns die Karten und Dominospiele weg. Schach und Dame ließen sie uns aus der Überlegung, zwei Leute seien ja keine Menschenmenge, die würden sich schon nicht raufen. Einsätze wurden verboten. Aufs Strengste. Es gab aber nur wenige Schachliebhaber, und von Dame hatte man auch schnell genug. Ein alter Mann schlug vor, Tschapajew Ref. 36 zu spielen, was gut ankam. Es war auf jeden Fall
interessanter als Schach, da war wenigstens noch eine gewisse Dynamik drin. Also lernten die Männer so perfekt Damesteine zu schnipsen, dass die Finger brannten. Schließlich organisierten sie eine Meisterschaft.
    Der Wettbewerb war gerade in vollem Gange, als das Licht ausfiel. Die empörten Männer klopften an die Sicherheitstür und forderten Einlass ins Objekt. Der Dieselgenerator funktionierte zu der Zeit schon lang nicht mehr – der Brennstoff war ausgegangen. Mit Strom wurden wir aus dem Objekt versorgt. Erneut trat der Chef vors Volk. Wieder hielt er eine Rede, dass auch sie Probleme mit den Generatoren hätten. Und dass man mit den Ressourcen sparsam umgehen müsse.
    Was sein musste, musste sein. Petroleumkocher kamen in Umlauf. Zum Glück funktionierte die Lüftung noch – dafür reichte offenbar die Energie des Dieselmotors aus dem Objekt aus. Die Leute verfielen in Depressionen. Manche irrten im Dunklen herum wie unruhige Geister. Natürlich gab es auch Nervenzusammenbrüche. Die besonders Wilden wurden ins Objekt geschleift. Wahrscheinlich gab es dort Einzelzellen.
    Zu allem Übel breitete sich noch Feuchtigkeit im Schutzkeller aus, was den Schimmelpilz so richtig aufblühen ließ. Alles wurde grün – von den Tischen bis zu unserer Kleidung. Die schwächeren von uns begannen zu kränkeln und kamen ebenfalls ins Objekt. Ins Lazarett.
    Die Unzufriedenheit wuchs. Die Leute munkelten, im Objekt sei das Leben ganz anders – hell und trocken. Einige Schlauberger simulierten eine Krankheit oder irgendeinen Anfall, nur um nach unten zu gelangen. Aber die Militärs kamen schnell dahinter. Besonders Findigen entzogen sie die Ration für einen Tag, woraufhin diese Anfälle von Schlauheit von selbst aufhörten.

    So verging ein Jahr, dann ein zweites. Ich denke, hätte es die Vorräte des Objekts nicht gegeben, wir alle hätten hier längst ins Gras gebissen. Aber so ging es ganz gut, man hielt durch. Der Mensch gewöhnt sich an alles. Offenbar auch daran. Im ganzen Bombenkeller brannte jetzt nur noch ein einziges

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