Die Reise ins Licht
Druck des Wassers im überfluteten Treppenschacht. Über die Gefährten ergoss sich ein eisiger Strom, warf sie um, riss sie mit sich durch den Korridor. Schon begann das Wasser rasant anzusteigen.
»Zum Schacht!« Taran zog Gleb aus dem Strom und schob ihn zum Ausgang. Die restlichen Stalker stürzten durch das gürtelhohe Wasser in dieselbe Richtung. »Nicht schlafen, Jungs, nicht schlafen!«
Fluchend kletterten sie die rutschigen Bügel hinauf, während von unten der brodelnde Strom immer näher kam. Schon war der Korridor bis zur Decke überflutet. Nacheinander hasteten die Stalker nach oben, riskierten jeden Augenblick, von den rostigen Bügeln der brüchigen Leiter abzustürzen. Endlich tauchte über ihren Köpfen der vergitterte Boden des Lifts auf. Die enge Luke unten an der Kabine war geöffnet – der Sektierer hatte Gott sei Dank Zeit gehabt, den Durchschlupf zu finden. Der Wegführer durchstieg den Fahrkorb des Lifts, betrat als Erster die obere Plattform und schaute sich um. Vorn war die hermetische Tür des Ausgangs zu sehen, rechts ging ein enger Gang ab, wahrscheinlich zum Maschinenraum der Aufzuganlage. Ischkari war auf der Plattform nicht zu sehen. Taran drehte sich um und half Schaman, in den schwankenden Käfig zu steigen.
Gleb kletterte als Nächster durch die Luke. Die Kabine des kleines Lifts bebte und schaukelte bedrohlich über
dem Abgrund des Betonschachts hin und her. Als der Junge wieder festen Grund unter den Füßen hatte, seufzte er erleichtert auf.
Farid hatte weniger Glück. Kaum hatte er die Luke durchstiegen, als die Kabine zu vibrieren begann und sich mit abscheulichem Knirschen abwärts bewegte. Taran schaffte es gerade noch, zum Schacht zurückzuhechten und den Lauf seiner Kalaschnikow in den sich verengenden Spalt zwischen der Schwelle der Plattform und dem Türstock des Aufzugs zu schieben. Die Kabine stoppte, doch der Ausgang aus dem Lift war blockiert.
»Zurück durch die Luke! Klettere über die Bügel nach oben!«, brüllten die Kämpfer und starrten den Tadschiken durch das vergitterte Dach der Kabine an.
Doch es blieb keine Zeit mehr. Der Gewehrlauf bog sich durch, dann hörten sie einen lauten Knall, der Lift ruckte und begann mit rasender Geschwindigkeit nach unten zu gleiten. Die Kalaschnikow flog hinterher. Eine Unmenge Wasser spritzte auf. Wie ein Stein sauste die Kabine in die Tiefe und riss den Kämpfer mit sich auf den Grund des Schachts.
»Farid!« Kondor lehnte sich in den Liftschacht hinaus und starrte nach unten.
Neben ihm blitzte plötzlich Tarans Körper auf. Mit dem Kopf voraus tauchte der Stalker hinab und durchschlug die Wassermassen. Die Gefährten blieben reglos am Rand des Schachts zurück und starrten auf den trüben Wasserwirbel unter ihren Füßen. Es verging eine Minute … eine zweite … Vor lauter Anspannung biss Gleb sich auf die Lippen, seine Fäuste ballten sich unwillkürlich.
Endlich tauchte aus dem brodelnden Wasser der vertraute Scheitel des Meisters auf. Taran klammerte sich an den nächsten Bügel und schüttelte den Kopf. Jemand fluchte neben Gleb, doch er selbst atmete erleichtert auf. Wenigstens sein Meister war am Leben geblieben.
»Es ging nicht …« Taran kletterte schwerfällig die Bügel hoch. »Da ist kein Herankommen an den Lift. Es ist alles komplett verbogen …«
Der Junge half seinem Meister auf die Plattform und reichte ihm eilig die Atemmaske. Wasser tropfte von dem imprägnierten Stoff seines Anzugs und bildete ungleichmäßige Pfützen auf dem Boden. Aus der Tiefe drang ein dumpfes Tosen herauf. Die Gefährten schwiegen. Gleb sah noch immer Farids dunkle Augen vor sich. Erstaunlich: Angst hatte nicht darin gelegen.
Ischkari entdeckten sie ganz in der Nähe. Der Sektierer kauerte am Boden einer Nische, schniefte und murmelte unaufhörlich und kaum verständlich zusammenhanglose Dinge.
»Unser Prediger ist ja ganz aus dem Leim gegangen.« Schaman stupste den armen Teufel mit seiner Stiefelspitze an. »Steh schon auf, du Hypochonder, wir gehen weiter.«
Der inzwischen stark dezimierte Trupp lief den schrägen Gang hinauf. Knarrend öffnete sich die durchgerostete Sicherheitstür, und durch den Spalt fiel Tageslicht herein. Blinzelnd traten die Stalker ins Freie und blickten sich um. Der unscheinbare Betonkasten sah von außen aus wie ein
Wächterhäuschen. Kein Wunder, dass sie diesen Eingang übersehen hatten.
»Was machst du jetzt ohne Kanone?«, fragte Schaman den Wegführer.
»Macht nichts.
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