Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Reise ins Licht

Die Reise ins Licht

Titel: Die Reise ins Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Djakow
Vom Netzwerk:
nach rechts oder links zu schauen, und dann sofort nach unten, in das geheime Objekt.
    Ganz anders wurde mir dann, als alle Frauen ankamen, mit Kindern und Gepäck. Waren das ihre Ehefrauen, oder was? Was zum Teufel hatten die hier zu suchen? Aber ich hatte keine Zeit mehr, darüber nachzudenken. Die Sirene heulte auf. Die geheime Sicherheitstür wurde versiegelt. Dann kamen von draußen lauter Leute herbeigelaufen – wahrscheinlich von dem Wohnbezirk gleich neben der Werft. Plötzlich drängten sich alle am Eingang, es herrschte ein furchtbarer Lärm, alle schrien durcheinander. Wir waren kaum zur Besinnung gekommen, als so ein Sergeant die äußere Sicherheitstür verschloss. Die Leute um uns herum schrien, suchten Bekannte in der Menge …
    Und plötzlich stand Petja vor mir. Er hatte sich einen Weg durch die Menge gebahnt und zog mich zu der geheimen Sicherheitstür. Aber er trommelte vergeblich dagegen – sie öffneten nicht. Petja brüllte und fluchte. Die Generäle hätten Bescheid gewusst über den Schlag, sagte er. Sie hätten es gewusst und geschwiegen – um sich selbst verstecken zu können. Deswegen hatten sie so eilig die Vorräte anlegen lassen …
    Und dann gab es auf einmal einen riesigen Schlag. Die Menschen fielen auf den Boden, und das Licht ging aus. Das Schreien
und Stöhnen wurde noch lauter. Es war furchtbar, ein einziges Grauen. Etwa fünfzehn Minuten lang bebte die Erde – dann verhallte der Donner, und das Licht ging wieder an. Von irgendwoher tauchten plötzlich Soldaten auf, die für Ordnung sorgten. Sie versiegelten den Ausgang und blockierten das Rad des Öffnungsmechanismus mit einer Kette und Schlössern. Damit niemand aus Dummheit nach draußen fliehen konnte. Einige wollten ja unbedingt – zum Beispiel, weil sie noch irgendwo Verwandte an der Oberfläche hatten, oder weil sie Mitleid hatten mit denen, die draußen standen …
    In den ersten Tagen hörte das Schlagen gegen die Tür nicht auf. Es war furchtbar. Zu wissen, dass da draußen Menschen waren, hinter der Wand, die langsam starben. Einige von uns, die schwächere Nerven hatten, bekamen einen hysterischen Anfall und forderten, die Überlebenden hereinzulassen. Aber die Militärs schafften schnell wieder Ordnung. So ein Typ trat vor, klein und unansehnlich, aber sowie er anfing zu sprechen, hielten all die Unzufriedenen die Klappe. Er bat sie nicht und versuchte auch nicht, sie zu überzeugen. Er sagte einfach klipp und klar: Wer die Tür öffnet, unterschreibt sein eigenes Todesurteil. Die Ressourcen des Bombenkellers seien beschränkt. Wer dagegen sei, würde erschossen. Petja flüsterte diesem Mann etwas zu, aber der sagte nur: ›Nicht gestattet!‹, und ging. Das hat meinen Kumpel richtig fertiggemacht, dass sie ihn nicht ins Objekt ließen. Aber was wollte er eigentlich? Er war doch kein hohes Tier.
    Na ja, das Volk beruhigte sich allmählich und begann sich einzurichten. Nach wie vor bekamen wir dreimal am Tag zu essen, schließlich war das Lebensmittellager noch voll. Die Leute sprachen viel darüber, wie das alles hatte passieren können, und wer wohl als Erster den Krieg begonnen hatte. Aber was für einen Sinn hatten
diese ganzen Diskussionen? Die Wahrheit würde man sowieso nie erfahren. Es gab weder Radio noch Fernseher. Die Handys hatten schon am ersten Tag keinen Empfang mehr.
    Auch die Militärs schwiegen. Nach etwa einer Woche tauchten einige Leute auf, aber nur, um die Vorräte nach unten in den Bunker zu schleppen. Sie erklärten, sie würden die Verteilung der Lebensmittel unter ihre Kontrolle nehmen. Ein paar Tage haben sie geschleppt. Das Volk hinderte sie nicht daran. Alle waren sich irgendwie auf einmal einig, dass die Militärs schon für geordnete Verhältnisse sorgen würden. Aber ich machte mir alle möglichen Gedanken: Wie sollte das weitergehen? Wie lange würden wir hier sitzen? Was ging an der Oberfläche vor sich? Anfangs kam einmal täglich ein Offizier von unten herauf und erzählte, es sei so und so, die Lage sei schwierig, Brände, Strahlung und so weiter … Er sagte, wir sollten uns zusammennehmen und abwarten. Aber worauf wir warten sollen und wie lange, das wusste niemand.
    Je länger es dauerte, desto schwieriger wurde es. Der Offizier kam immer seltener. Entweder gab es keine besonderen Neuigkeiten, oder sie machten sich keine Umstände mehr. Obendrein hatte sich auch noch eine Plage eingestellt: Pilzbefall. Selbst regelmäßiges Reinemachen half da nicht. Das Luftreinigungssystem

Weitere Kostenlose Bücher