Die Reise nach Gadaron (German Edition)
sagen, um sein Erstaunen zu kaschieren und der Schande zu entgehen. Also sagte er das erste, was ihm in den Sinn kam: „Du trägst noch die gleichen Schuhe. Zum Glück hast du dir keine neuen gekauft, sonst hätten wir noch ewig auf dich warten müssen.“
Das war gut, fand Kona. Doch Larina schien da anderer Meinung zu sein und versetzte ihm einen Tritt gegen die Brust, der Kona zwei Meter weiter in den Staub fliegen ließ.
„Wofür war das denn?“, fragte Kona empört, während er sich wieder aufrappelte.
„Ich wollte dir nur die gute Qualität meiner Schuhe demonstrieren“, erwiderte Larina hochmütig. „Du kannst ganz beruhigt sein. Ich werde mir in nächster Zeit keine neuen Schuhe kaufen.“ Sie wandte sich um. „Wenn du deine Wunden geleckt hast, komm zusammen mit Salan zum Rand der Siedlung. Ich warte dort auf euch. Hier in der Gegend befindet sich ein Gegenstand des Himmels. Könnte ein kleiner Fußmarsch dorthin nötig sein.“ Dann entfernte sie sich erhobenen Hauptes.
„Das ist jetzt schon das zweite Mal, dass sie mir eins verpasst hat!“, beschwerte sich Kona.
„Und diesmal hast du es verdient!“, tadelte ihn Salan.
„Und warum? Weil ich schlecht über ihre Schuhe geredet habe?“
„Nein! Weil sie sich dir emotional geöffnet hat, indem sie dich fragte, wie du ihre neuen Sachen findest. Und du hast sie vor den Kopf gestoßen!“
„Na ja“, meinte Kona schon etwas kleinlauter. Auch wenn er die Zusammenhänge noch nicht ganz verstand. „Aber das ist trotzdem kein Grund gleich zuzuschlagen.“
„Nun jammere mal nicht rum. Du kannst das schon ab.“
„ Vielleicht hast du ja recht“, gab Kona zu. „Das Problem ist, dass ich einfach nicht weiß, woran ich bei ihr bin. Erst ist sie zickig und gemein, dann nett und ausgeglichen. Was soll das?“
„Ich glaube , das liegt daran, dass ihr euch ziemlich ähnlich seid.“
„Was soll das denn heißen?“, fragte Kona empört.
„Na ja, ihr seid beide zwei selbstverliebte, arrogante Charaktere, die sich keine menschlichen Emotionen zugestehen. Deshalb tut ihr so, als wäret ihr eiskalt und abgebrüht, und reagiert auf alles mit einem lässigen Spruch. Damit wollt ihr aber nur eure emotionale Verwundbarkeit verbergen. Und weil ihr mit der Situation unzufrieden seid, und euch im jeweils anderen wieder erkennt, zickt ihr euch ständig an. Nur, dass Larina mutiger ist als du. Nachdem du, ohne zu zögern, versucht hast sie zu retten, war sie bereit, ihre Meinung über dich zu ändern und sich dir emotional anzunähern. Doch du hast so viel Angst, Larina zu sehr zu mögen, dass du sie beleidigst. Glaub mir, Kona, damit hast du sie mehr verletzt, als sie dich mit dem Tritt.“
Das klang zu sehr nach Fachchinesisch, um Kona wirklich zu überzeugen. „…und, was soll ich jetzt machen?“, fragte er kleinlaut.
„Ganz einfach! Du musst Larina in Demut entgegentreten, deine Schuld eingestehen und dich entschuldigen.“
Das klang nach einer sehr großen Buße, fand Kona. Vielleicht hatte er tatsächlich keine andere Wahl, wenn er sich mit Larina wieder gut stellen wollte. Aber eine Frage hatte er dann doch noch: „Was meinst du damit, dass ich Angst habe, Larina zu sehr zu mögen?“
Salan grinste. „Das kriegst du schon noch raus…“, meinte er versonnen. „Das kriegst du schon noch raus!“
*
Eine Stunde später hatten sie den Hafen und die Siedlung verlassen. Larina erwartete sie, wie versprochen, am Rande der Siedlung. Nachdem sie Kona nichts als einen düsteren Blick schenkte, führte sie die Gruppe wortlos in die Richtung, in der sie den nächsten Gegenstand vermutete. Larina stapfte voran, die anderen folgten in sicherem Abstand. Zwar hatte sie gegen niemand anderen als Kona Feindseligkeiten gezeigt, aber sie verbreitete eine so eiskalte Stimmung, dass sogar Zerberus mit eingezogenem Schwanz von ihr fern blieb.
„Na, mach schon!“, meinte Salan zu Kona.
„Ich weiß nicht…“, druckste der. „So wie die jetzt drauf ist, hört sie mir bestimmt nicht zu. Ich versuch es lieber später.“
„Entschuldige dich endlich! Wenn diese Stimmung nicht bald besser wird, krieg ich noch graue Haare.“
Ob das nun der Wahrheit entsprach oder nicht, Kona wusste, dass es sich nicht länger aufschieben ließ. Langsam schloss er zu Larina auf. Sie trug wieder ihre Strickmütze, doch ihre Haare blitzten drunter hervor.
„Hallo, Larina…“, sprach Kona kleinlaut. Die warf ihm einen Blick zu, wie ein Scharfrichter, der von einem
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