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Die Reise Nach Helsinki

Die Reise Nach Helsinki

Titel: Die Reise Nach Helsinki Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Gibiec
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getrunken, sonst hätte der
starke Geruch der Blausäure ihn mit Sicherheit gewarnt.
    »ES ist verwunderlich, dass das
Paket ohne Absender angenommen wurde«, sagte Hugo zu Anna bei einem
seiner zahlreichen Besuche. »Wir schicken alle Angaben zu den
Kollegen nach Helsinki, damit sie das entsprechende Postamt
herausfinden können.« 
    Obwohl immer mehr darauf hindeutete,
dass der oder die Absender des Päckchens in Finnland zu suchen
waren, verhörten die Beamten mehrere Stunden lang auch Heinrich
Honscheid, dessen Feindschaft zu Pekka ihnen nicht nur von den
Angestellten bestätigt, sondern auch von anderen Händlern auf dem
Wall, die sie nach und nach befragten, zugetragen worden war. Aber
Honscheid wies jeden Verdacht entrüstet von sich, und abgesehen von
großer persönlicher Abneigung war kein Motiv zu finden. Für einen
dringenden Tatverdacht reichten die Gerüchte bei weitem nicht aus,
allerdings bekamen Honscheid und auch Schlipköter die Auflage, sich
zur Verfügung zu halten und bei der Polizei abzumelden, wenn sie
die Stadt verlassen wollten.
    Emma lag in der Klinik, und es ging
ihr immer noch so schlecht, dass die Ärzte dringend von ihrer
Teilnahme an der Beerdigung abrieten. Auch Louise kam überhaupt
nicht mehr auf die Beine, sie blieb im Bett und weinte, sobald man
sie ansprach.
    So trug Anna allein die
Verantwortung für alles, was der Mord an Pekka nach sich zog. Wie
ein Automat gab sie die Bestattung in Auftrag, erledigte die
Behördengänge, kümmerte sich um ein Grab auf dem Friedhöf
Hochstraße und schrieb zusammen mit der weinenden Else Kriebel die
Einladungen zur Trauerfeier.
    Anna hatte die Angestellten in
Urlaub geschickt, aber Elias kam weiter jeden Morgen. Als Anna ihn
fragte, warum, sagte er, er gehe auf keinen Fall zu Tietz, sondern
bleibe im Geschäft, solange sie ihn brauche. Auch Else Kriebel und
Gertrud Meier kamen täglich und beteuerten unter Tränen, das seien
sie Pekka schuldig. Elias und Gertrud nähten die Bestellungen
fertig, Else Kriebel verpackte die Waren, damit sie nicht
verstaubten, dann räumte und wienerte sie im Laden herum, bis kein
Stäubchen mehr zu sehen war. 
    Am Tag vor der Beerdigung ging Anna
in die Kürschnerei und setzte sich zu Elias.
    »Du musst mir sagen, was zwischen
dir und Papa vorgefallen war«, flüsterte sie, »die Polizei glaubt
dir vielleicht, dass es ein belangloser Streit war, aber ich glaube
es nicht.«
    Schlipköter sah sie lange an, seine
Augen schwammen. »Es war nichts«, krächzte er und streckte Zeige-
und Mittelfinger in die Luft, »ich schwöre es bei allen Heiligen,
es war nichts, was mit seinem Tod zusammenhängen könnte. Er war ja
sehr nervös in der letzten Zeit und hat mich ein paar Mal
angefahren, das wollte ich mir nicht gefallen lassen, da gab ein
Wort das andere. Wir waren doch täglich zusammen, wir gingen uns
einfach auf die Nerven.«
    Anna wusste, dass er log und dass
sie nicht mehr aus ihm herausbekommen würde.
    *
    Die Menschenmenge, die sich in den
Bänken der Friedhofskirche an der Hochstraße drängte, war kaum zu
überblicken. Elias Schlipköter, der sich immer wieder die Augen
wischte, stützte Anna und Louise, die ihre Gesichter hinter
schwarzen Hutschleiern verborgen hatten. Sie betraten als Letzte
die Kirche durch den Seiteneingang, gleichzeitig setzte die Orgel
mächtig mit dem ersten Satz aus Sibelius' »Finlandia« ein, den
Pekka besonders gern mitgesungen hatte, lyrisch-hymnisch hatte er
diese Musik genannt. Sein Sarg stand vor dem Altar, bedeckt mit der
blauweißen finnischen Fahne und einem riesigen Bukett aus Rosen,
Lilien und Vergissmeinnicht.
    Es soll zu Ende sein, dachte Anna,
lieber Gott, lass das alles endlich vorbei sein. Sie hatte keine
Tränen mehr und sorgte sich um Louise, die schwer an Elias' Arm
hing und immer wieder umzusinken drohte. Sie hatte es sich nicht
nehmen lassen, mit zur Beerdigung zu kommen, während Emma, die
immer noch unter schweren Beruhigungsmitteln stand, dazu nicht in
der Lage
war.        
    Die Trauerfeier zog wie ein Film
vorüber. Ohne etwas zu fühlen, sah Anna den Pfarrer vor dem Altar
agieren und auf der Kanzel seine Predigt halten, hörte die Orgel
immer wieder einsetzen, begleitet vom schleppenden Gesang der
Gemeinde, über den sich einzelne helle Sopran- und Tenorstimmen
hinaushoben. Sie ging hinter dem Sarg und dem Pfarrer her durch den
Mittelgang der Kirche und ein Meer von Gesichtern, in dem Anna die
weinenden Angestellten und viele Elberfelder

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