Die Reise Nach Helsinki
denken.«
»Ich weiß nicht, ob das eine so gute
Idee ist, Fräulein Salander, Sie begeben sich direkt in die Höhle
des Löwen. Sie brauchen den Schutz der Polizei, jemand, der einen
so hinterhältigen Giftmord plant, schreckt vielleicht auch vor
anderen Dingen nicht zurück. Dort ist alles fremd, und Sie sprechen
die Sprache nicht.«
Hugo sah besorgt aus, Anna hatte
sich gesetzt und die Hände auf den Tisch gelegt.
Ȇberlegen Sie es gut, Sie sind ja
immer noch in einer Ausnahmesituation. Ich wäre untröstlich, wenn
Ihnen was passieren würde.«
Er zögerte und legte dann seine Hand
auf ihre, sie ließ es sich eine Weile gefallen, und ihr Blick wurde
weich, dann zog sie die Hand zurück und funkelte ihn wieder
an.
»Was soll mir passieren, es ist
schließlich die Heimat meines Vaters. Ich werde zu Herrn Soderberg
Kontakt aufnehmen, der wird mich sicher beschützen. Sie reden wie
meine Mutter, es ist ja schließlich nicht so, dass Finnland die
Wildnis ist, Helsinki ist eine hochzivilisierte Stadt. Und auf den
Schutz der deutschen Schnauzbärte kann ich gut verzichten, wir
sehen ja, was dabei herauskommt. Zwei Wochen nach der Tat immer
noch kein Ergebnis, nicht die geringste Spur. Und jetzt habe ich
Hunger«, sagte sie energisch und schmierte sich ein Brötchen,
»wollen Sie auch
eins?«
Hugo lehnte dankend ab. Er würde sie
wohl nicht von ihrer Idee abbringen, gleichzeitig war er froh, dass
ihre Lebensgeister wieder erwachten. Außerdem gefiel sie ihm
besonders gut, wenn ihre Augen wütende Blitze
schleuderten.
»Sie begeben sich wirklich in große
Gefahr«, versuchte er es noch einmal.
»Die Entscheidung überlassen Sie mal
mir«, sagte Anna spitz, »ich kann schon ganz gut allein auf mich
aufpassen.«
»Daran zweifelt niemand.«
Hugo stand auf und verabschiedete
sich mit einer Verbeugung und einem Grinsen in den
Augenwinkeln.
»Ich fänd es nur schön, wenn ich Sie
unversehrt wiedersehen würde.« Er nahm wieder ihre Hand, sie entzog
sie ihm erst nach einer Weile und wurde rot dabei, auch das
registrierte er erfreut.
Auf dem Weg zurück ins Präsidium
dachte er, dass sie Recht hatte. Sie verschlissen hier in Elberfeld
ihre Kräfte, während immer offensichtlicher wurde, dass des Rätsels
Lösung nur in Helsinki liegen konnte. Die Idee, einfach auf eigene
Verantwortung hinzufahren, war ihm auch schon gekommen, und er
hatte mit Kommissar Hohenstein darüber gesprochen, der jedoch
abgewunken hatte. Das Problem war, dass es noch keine
internationale Zusammenarbeit der Polizei und damit auch keinen
offiziellen Weg für eine solche Mission gab. Angesichts der immer
neuen Hinweise, die nach Helsinki deuteten,
nahm er sich vor, noch mal mit seinem Vorgesetzten zu reden. Er
musste ihn positiv stimmen, an seine kriminalistische Ehre
appellieren, ihm schmeicheln. Hugo hatte vor kurzem gehört, dass
Hohensteins Frau ihn vor einem halben Jahr verlassen hatte, was
vielleicht eine Erklärung für seine Übellaunigkeit und seine
extreme Reaktion auf Anna war. Da konnte ihm eine solche
Abwechslung doch eigentlich nur gut tun.
*
Anna verfiel in hektische
Betriebsamkeit, die Idee der Reise erschien ihr wie eine Erlösung.
Sie konnte etwas tun und entkam der schrecklichen Stimmung in
Elberfeld, außerdem würde sie endlich die sagenumwobene Heimat
ihres Vaters kennen lernen, die Fata Morgana am nördlichen Ende der
Welt.
Im Sommer kann man an Rom denken,
kulta, wenn man vom Hafen aus auf den weißen Dom schaut und die
Sterne auf den Kuppeldächern glänzen. Aber Helsinki ist noch viel
schöner, es ist eine Zauberstadt mit einer Zauberlampe über dem
Himmelszelt. Immer ist es da, das Licht, wie eine Gnade, im Sommer
mild und hell, es leuchtet den Himmel blau und die Wolken weiß, das
Laub so grün wie sonst nirgendwo, die Holzhäuser gelb und rot.
Abends ist der Himmel wie auf einem Aquarell, rosa und grün, auch
ein wenig blau, sanft, durchsichtig, nirgends auf der Welt kannst
du einen solchen Himmel sehen wie über Helsinki. Auch im Winter ist
die Zauberlampe da, sie blinkert hinter den Sternen hervor, das
meiste von ihrem Licht schickt sie nach unten, zum gleißenden
Schnee, der übernimmt dann für sie das Leuchten. Nur manchmal, wenn
die Wolken alles zuhängen, kann es die schwarze Hölle
sein.
Angesichts der jüngsten Enthüllungen
war es nicht verwunderlich, dass Pekka sein finnisches Leben so
vernebelt hatte. War er verheiratet gewesen? Was mochte er dieser
Riikka angetan haben, dass sie
Weitere Kostenlose Bücher