Die Reise nach Orb - ein Steampunk-Roman (German Edition)
hindurch, als würde sie nicht existieren.
»Unglaublich«, murmelte Martin. »Das ist verrückt.«
Eliane erschien wieder. Sie kam direkt aus dem Holz der Tür zu ihm.
»Komm schon, Martin, hier gibt es keine Tür.« Sie drehte sich wieder um und verschwand. Martin schloss die Augen und folgte ihr. Als er sie wieder öffnete, lag die Tür hinter ihm.
»Dann waren die Vögel auch nicht wirklich«, folgerte er.
»Richtig, und die Ætherstrahlen vermutlich auch nicht, draußen auf dem Felsband.«
»Dann haben wir es mit einem Zauberer zu tun?«
»Zauber gibt es nicht. Alles lässt sich schlussendlich mechanisch-technisch erklären.«
Martin schmunzelte bei diesen Worten. Doch rasch wurde er wieder ernst:
»Damit ist aber das Verschwinden der Besatzung dieses Forts noch nicht erklärt.«
»Nein, da muss noch etwas anderes dahinterstecken. Seien wir vorsichtig. Hier ist nichts so, wie es scheint.«
Eliane hatte den Korridor während des Gesprächs nicht aus den Augen gelassen. Jetzt setzte sie sich wieder vorsichtig in Bewegung. Der Korridor vor ihnen war etwa zwei Meter breit, in regelmäßigen Abständen brannten kleine Gaslaternen in Nischen.
»Lange scheint das Fort noch nicht verlassen zu sein, sonst wäre den Laternen das Gas ausgegangen«, sagte Martin.
»Diese Laternen werden zentral gespeist«, entgegnete Eliane. »Aber wer weiß, vielleicht gibt es sie gar nicht.«
Dann würden sie den Korridor in einem Licht sehen, das es gar nicht gab, überlegte Martin, und sie wären in völliger Dunkelheit unterwegs. Das war unmöglich, es sei denn, es wäre Zauberei im Spiel.
Plötzlich verschwand Eliane direkt vor seinen Augen, als hätte sie sich in Luft aufgelöst. Martin stand augenblicklich still. Er schauderte und bekam Gänsehaut.
»Eliane, wo bist du? Bitte melde dich!«, rief er. Seine Stimme klang hohl in dem Korridor und er hörte aus weiter Ferne ein Echo. »Hier ist nichts so, wie es scheint«, hatte Eliane gesagt. Ob sie tatsächlich verschwunden oder nur von ihm durch eine unsichtbare Wand getrennt war? Er wagte einige Schritte vorwärts und plötzlich war sie wieder da: Eliane stand vor ihm und tat als wäre sie nie fort gewesen.
»Du warst für einen kurzen Augenblick verschwunden«, sagte er. »Was ist passiert.«
Sie zuckte die Schultern.
»Nichts, rein gar nichts. Ich konnte dich jederzeit wahrnehmen. Vielleicht hattest du einen kurzen Aussetzer, verursacht durch die Aufregung.« Sie musterte ihn mit einem eigenartigen Blick. »Komm, wir gehen weiter. Dort vorn muss eine Halle sein.«
Sie marschierte voran und Martin fand, dass sie plötzlich jede Vorsicht außer Acht ließ. Ja, sie machte irgendwie einen unbekümmerten Eindruck.
Tatsächlich erreichten sie nach etwa dreißig Metern eine Halle. Sie war so groß wie das Innere einer Kirche und besaß ebensolche Fenster. Sogar eine Kanzel und einen Altar erspähte Martin.
»Das kann doch nicht sein«, murmelte er. Bisher hatte er auf diesem Planeten kein Anzeichen von Religion entdeckt und jetzt stand er plötzlich in einem Raum, der einer Kirche auf der Erde glich.
»Alles kann sein, was du für möglich hältst«, entgegnete Eliane, die seine Worte gehört hatte, »auch das Unmögliche.«
»Zu welchem Zweck wird dieser Raum gebraucht?«
»Ich weiß es nicht«, war ihre knappe Antwort, dann fügte sie hinzu: »Komm, ich muss dir etwas zeigen!«
»Hast du eine Entdeckung gemacht?«, wollte er wissen, doch sie antwortete nicht. Stattdessen marschierte sie schnurstracks auf eine Tür zu, die sich neben dem Altar befand. Martin schaute erstaunt auf die Reihe von Bänken, durch sie marschierten. Waren sie schon da gewesen, als sie die Kirche betreten hatten? Verwundert schüttelte er den Kopf.
Die Tür führte in ein Treppenhaus, in dem sich die Stufen in engen Kurven nach oben wanden. Ohne zurückzublicken stieg Eliane hinauf, immer zwei Tritte auf einmal nehmend. Martin vermochte ihr kaum zu folgen. Wieso hatte sie es plötzlich so eilig? Gerade wollte er anhalten, weil ihm der Schnauf ausging, da war die Treppe zu Ende. Eliane öffnete eine Tür. Sie führte direkt ins Freie. Draußen heulte der Sturmwind, Schnee wirbelte in das Treppenhaus.
Sie standen hoch über der Eiswüste auf einer Plattform, die rund um einen Turm herumführte. Martin musste sich am Geländer festhalten, um nicht umgeweht zu werden. Doch Eliane stand da, als gäbe es keinen Sturm.
»Der Leuchtturm«, murmelte er, und als er nach oben blickte, sah er das
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