Die Reise nach Orb - ein Steampunk-Roman (German Edition)
gleißende Licht an der Spitze des Turms.
»Jetzt leuchtet es«, rief er durch das Heulen des Sturms. »Jemand muss es eingeschaltet haben.«
Doch Eliane antwortete nicht. Stumm und regungslos stand sie da und starrte in das Schneegestöber über der Eisebene.«
»Ist es das, was du mir zeigen wolltest? Das Leuchtfeuer von Fort Watt?«
Endlich kam wieder Leben in seine Begleiterin. Sie wandte sich zu ihm und sagte: »Ja, die Kirche und der Leuchtturm von Fort Watt.«
Martin musterte seine Begleiterin nachdenklich. Etwas stimmt nicht mit ihr. Nur um ihm das Leuchtfeuer zu zeigen, waren sie kaum hier hochgestiegen. Und woher wusste sie plötzlich, was eine Kirche war? Hatte er ihr gegenüber dieses Wort überhaupt einmal erwähnt? Misstrauen und Zweifel schlichen sich in sein Herz. Was wollte sie hier? Was wollte sie von ihm? Sie schien ihm auf einmal so fremd zu sein.
Er gab sich einen innerlichen Ruck, trat entschlossen auf sie zu und packte sie am Arm. Der Wind hätte ihn dabei fast umgeworfen. Doch Eliane war wie ein Baum, an dem er sich halte konnte.
»Was ist mit dir los, Eliane?«
Hier ist nichts so, wie es scheint, erklang in ihm eine Stimme, und er kniff dabei unwillkürlich die Augen zusammen. Da begann sich seine Begleiterin auf erschreckende Weise zu verwandeln. Ihr Gesicht wurde katzenartig, mit zwei übergroßen spitz zulaufenden Ohren und einem Haarschopf dazwischen. Die großen, glänzenden Augen schauten ihn böse an. Der Körper des Katzenwesens steckte in einer Art futuristischen Rüstung und war nur ein Drittel so groß wie Eliane. Martin musste sich zu dem Wesen hinunterbücken, um es nicht loszulassen.
»Gib mich frei«, sagte die Katze und funkelte ihn an.
Doch Martin war so geschockt, dass er den Griff um den Arm des Unbekannten nicht lockerte.
»Du bist nicht Eliane. Wer bist du? Und wo ist sie?«
»Lass mich los!«, forderte das Katzenwesen noch einmal.
Doch Martins Verstand hatte bereits richtig kombiniert.
»Nein, das werde ich nicht, sonst machst du mir wieder etwas vor. Du bist ein Zauberer.« Aus den Augenwinkeln stellte er fest, dass sie inzwischen auch nicht mehr auf der Plattform des Leuchtturms standen, sondern in einem breiten, bogenförmigen Gang.
»Ich bin kein Zauberer, ich bin Illusionist«, zischte der Katzenartige.
»Wo ist meine Begleiterin und was willst du von uns?«
»Ich sage dir, wo sie ist, wenn du mir verrätst, was ihr von mir wollt!«
»Schluss mit den Späßen«, erklang da Elianes Stimme. Sie kam raschen Schrittes hinzu und drückte dem Katzenartigen ihre Pistole an den Hals. »Eine falsche Bewegung oder eine neue Illusion und du bist Geschichte.«
»Du hast auf mich geschossen, draußen auf der Treppe«, sagte Martin.
»Habe ich nicht«, entgegnete der Illusionist. »Das hast du dir nur eingebildet. Genauso wie die mechanischen Vögel und die Plattform oben beim Leuchtfeuer. Ich wollte euch bloß vertreiben.«
»Und wo hast du Eliane verschwinden lassen?«
»In einem Labyrinth«, erklärte sie an der Stelle des Illusionisten. »Aber jetzt raus mit der Sprache: Wer bist du, woher kommst du und was hast du mit der Besatzung des Forts gemacht?«
»Das sind viele Fragen auf einmal. Die Antwort auf die erste Frage ist die einfachste: Ich heiße Telur und bin Illusionist.«
»Das haben wir gemerkt«, sagte Eliane, »und wo kommst du her?«
»Das weiß ich nicht so genau. Man hat mich hier in dieser fürchterlichen Kälte ausgesetzt.«
»Schwer zu glauben. Die Piraten setzen niemanden aus. Sie verkaufen oder töten dich, und die Zöllner versklaven dich, wenn du keine Mittel hast, den Zoll zu begleichen.«
»Es waren keine Zöllner und auch keine Piraten, sondern Mechanische, sehr kleine Mechanische.«
»Also Mikromechanische«, stellte Eliane fest. »Und was ist mit der Besatzung des Forts geschehen?«
»Das Fort war leer, als ich hier Unterschlupf fand.«
»Dann kennst du dich hier aus, nehme ich an«, mischte sich Martin in das Gespräch ein. »Dann kannst du uns sicher auch sagen, wie wir von hier hinunter in den Graben gelangen können.«
»Klar. Ich zeige euch sogar den Weg. Dann bin ich euch wieder los.« Der Illusionist funkelte ihn an. Er blickte dabei so böse, dass es ihn schauderte. Dieser Telur, wie er sich nannte, war kein gutes Wesen, das spürte er.
»In Ordnung, dann führe uns«, entschied Eliane.
Martin hatte den Illusionisten losgelassen, der nun vor ihnen marschierte. Eliane folgte ihm dicht auf, unablässig ihre
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