Die Reise nach Orb - ein Steampunk-Roman (German Edition)
Die Antwort aus dem Tornister erfolgte augenblicklich: Er begann lauter zu summen, von einem Zischen untermalt.
»Da ist eine Maschine angelaufen«, stellte Eliane nüchtern fest.
Vorsichtig betätigte Martin die beiden gelben Hebel. Als er an ihnen zog, wurde das Zischen zu einem Fauchen und der Tornister riss ihn in die Höhe. Erschrocken drückte er die Hebel wieder in ihre Grundstellung zurück.
»Aus den beiden Öffnungen ist ein Strahl ausgetreten«, erklärte Eliane. »Es sah fast so aus wie Schwere Luft.«
»Schwere Luft? Du meinst, die gleiche Schwere Luft wie in den Schwerluftschächten?«
»So sah es aus. Aber jetzt hat sie sich verflüchtigt. Ein Flugtornister mit Schwerluftantrieb wäre sensationell. Hier muss ein verrückt-genialer Wissenschaftler am Werk gewesen sein.«
»Ein wahres Genie«, sagte Martin. »Jetzt wollen wir mal sehen, wie die zweite Sorte Tornister funktioniert.«
Doch dazu kam es nicht mehr. Ein Luftzug strich durch die Gänge des Forts und von Ferne hörten sie eine schwere Tür ins Schloss fallen.
»Sie sind zurück«, stellte Eliane fest und griff nach dem Æthergewehr, das sie beiseitegelegt hatte.
»Schnall dir lieber auch einen Schwerlufttornister um. Er ist unsere einzige Fluchtchance«, flüsterte Martin.
Eliane begriff. Sie schnappte sich einen gleichen Tornister wie Martin und schnallte ihn um. Dann ergriff sie das Æthergewehr und lugte nach draußen in den Korridor.
»Die Luft ist rein. Ich möchte nur zu gerne wissen, wer da ins Fort eingedrungen ist.«
»Lass das, wenn es Schremp sind, bist du geliefert, sobald sie dich erblicken.«
»Es sei denn, du könntest mich in den Mecano-Modus versetzen.«
»Ich habe nicht die Fähigkeiten des Mikromechanischen. Komm, lass uns verschwinden.«
Eliane und Martin schlichen auf leisen Sohlen den Korridor entlang und zweigten dann in Richtung Treppe ab, die zur Plattform mit dem defekten Personenlift führte. Eine weitere Tür fiel irgendwo ins Schloss. Das Geräusch hallte wie ein Schuss durch die Gänge des Forts.
»Du willst in der Nacht und bei diesem Sturm dort hinaus«, flüsterte Martin.
»Die Alternative wäre ein Kampf. Aber ich fürchte, wir könnten ihn verlieren, noch ehe er begonnen hätte.«
Gerade als sie die Tür zur Plattform vorsichtig öffneten, erloschen die Gaslampen hinter ihnen im Korridor.
»Jemand hat die Zentralversorgung abgestellt«, konstatierte Eliane. »Und dieser Jemand kann vermutlich im Dunkeln sehen.«
»Du denkst, sie wissen, dass wir hier sind?«
»Es gibt in Fort Watt so viele Ungereimtheiten, dass ich gar nicht mehr weiß, was ich denken soll.« Eliane drückte die Metalltür vorsichtig zu und platzierte einen runden Gegenstand in der Größe eines Apfels davor. Eine Feder, die daraus hervorragte, drückte sie in den Türspalt.
»Auf zur Flugstunde«, sagte sie und lachte leise. Dann trat sie zum Rand der Plattform, dort wo noch das abgerissene Stahlseil am Ausleger baumelte. Sie musste sich am Geländer festhalten, damit sie der Sturm nicht in die Tiefe riss. Nachdem sie den kleinen roten Hebel betätigt hatte, fuhr das Steuergerüst aus und umschloss sie. Dann rief sie Martin zu:
»Lass dich einfach fallen und zünde den Schwerluftgenerator erst weiter unten. Dort ist es ruhiger.« Ohne ein weiteres Wort sprang sie in die dunkle Tiefe.
Martins Herz klopfte wie wild. Angst schnürte ihm die Kehle zu. Aber er wusste, er durfte nicht zögern. Der unbekannte Feind war hinter ihnen her. Zwar war er gegen die Hypnose der Schremp gefeit, doch wer weiß, ob es überhaupt die Blutsauger waren, die jetzt durch das Fort streiften? Gut möglich, dass der Feind ganz anderer Natur und noch viel mächtiger war, als er sich vorstellen konnte. Er hangelte sich dem Geländer entlang zu der Stelle, an der Eliane gesprungen war. Der Sturmwind raubte ihm fast den Atem. Doch er wehte glücklicherweise quer zum Graben und würde ihn so nicht gegen die Felsen schleudern – zumindest nicht sofort. Martin nahm all seinen Mut zusammen, verdrängte seine Höhenangst, betätigte den roten Hebel und sprang. Sofort wurde er vom Sturmwind mitgerissen und überschlug sich in der Luft. Hinter ihm erhellte ein Lichtblitz die Nacht und ein dumpfer Knall übertönte kurz das Heulen des Windes. Eine Druckwelle verstärkte die Kraft des Sturms und stieß ihn ein Stück weiter in die Finsternis hinaus. Dann fiel er kopfüber in die dunkle Nacht. Verzweifelt ruderte er mit den Armen und versuchte sich
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