Die Reise nach Orb - ein Steampunk-Roman (German Edition)
Auf Redundanz wird in solchen Anlagen in der Regel viel Wert gelegt. Suchen wir nach einer Fluchtmöglichkeit.«
»Aber was tun wir, wenn die Mörder der Besatzung zurückkommen?«
»Kämpfen, was sonst? Wir müssen sowieso die Nacht über dableiben. Die beiden Schwestern sind in der Zwischenzeit untergegangen, draußen scheinen nur die Himmelslichter.«
Dabei hat sie nicht einmal nach draußen gesehen, schoss es Martin durch den Kopf. Doch da erinnerte er sich wieder daran, dass Eliane über eine eingebaute präzise Uhr verfügte.
»Wir gehen nochmals zur ersten Waffenkammer, die wir entdeckt haben«, sagte Eliane. »Wir sollten uns gut ausrüsten und dann an einem sicheren Ort verschanzen.«
»Erstaunlich, dass die Angreifer die Waffenkammern nicht geplündert haben«, grübelte Martin. »Sie scheinen nur am Blut der Besatzung interessiert zu sein und sich sehr sicher zu fühlen. Könnten das nicht Schremp gewesen sein?«
»Genau das beunruhigt mich. Was hier geschehen ist, gleicht dem Vorgehen der Schremp. Das würde auch erklären, wieso die Besatzung ohne Kampf überwältigt wurde. Aber bisher habe ich nie gehört, dass Schremp an der Oberfläche gesehen wurden. Sie leben im Untergrund. Es ist auch nicht bekannt, dass sie Blutreserven anlegen. Ein Überfall durch die Schremp würde auch nicht das Verschwinden der mechanischen Wächter erklären. Die lassen sich nicht einfach hypnotisch beeinflussen. Es sei denn, sie wären vom Virus infiziert worden und zu den Rebellen übergelaufen.«
»Dass die Schremp mit den mechanischen Rebellen gemeinsame Sache machen, haben wir bereits in Stahldorf erlebt«, sagte Martin. »Wieso sollte es hier oben nicht auch so sein? Wenn dann noch ein bösartiger Illusionist hinzukommt, hat die Mannschaft keine Chance.«
Elianes Gesicht verfinsterte sich.
»Sollte das so sein, besteht nicht nur für Stonehenge größte Gefahr. Wir müssen so schnell wie möglich nach Orb.«
Die Tür zur Waffenkammer stand immer noch offen, wie sie sie gelassen hatten. Während Eliane weitere Waffen inspizierte und sich so viele umhängte, wie sie tragen konnte, untersuchte Martin das Arsenal an technischen Apparaturen. Da gab es Exoskelette, welche mit miniaturisierten Dampfmaschinen betrieben wurden. Sie verhalfen ihren Trägern vermutlich zu übermenschlichen Kräften. Er fand auch Panzerungen, die er bisher noch nirgends gesehen hatte. Auch eine Reihe Tornister mit Öffnungen auf der Unterseite und einem Kamin oben drauf erregten seine Aufmerksamkeit. Er schaute sich die Tornister näher an. Sie waren tatsächlich dazu gedacht, auf den Rücken geschnallt zu werden. Doch zu welchem Zweck?
Er entdeckte auch noch eine zweite Sorte Tornister. Auch sie gaben ihm Rätsel auf. Oben war eine Klappe zu sehen und auf beiden Seiten hatten sie eine Art Auspuff und zwei Gestänge, die sich nach vorne – vermutlich um den Körper herum – aufklappen ließen.
Das musste eine Steuerung sein. Ob es sich bei den Tornistern um Fluggeräte handelte? Die Idee elektrisierte ihn. Vielleicht konnten sie damit sogar hinunter in den Graben fliegen.
»Sind das Flugtornister?«, fragte er Eliane, die gerade dabei war, ein mehrläufiges, schweres Æthergewehr zu untersuchen.
»Das ist gut möglich«, sie legte das Gewehr zur Seite und trat zu Martin, um sich die Tornister anzusehen. »Die Dinger sind mir bisher nicht aufgefallen und ich kann mich nicht erinnern, etwas Ähnliches bereits gesehen zu haben. Es gibt zwar kleine Dampfkopter mit einem Sitz für eine Person, aber Rückentornister? Dazu noch zwei unterschiedliche Sorten.«
Martin schnallte sich einen Tornister von der ersten Sorte um, der zwei Öffnungen auf der Unter- und einen Kamin auf der Oberseite hatte. Dann drückte er einen rot markierten kleinen Hebel, den er auf der linken Seite entdeckt hatte. Es war das einzige sichtbare Bedienungselement. Der Tornister begann augenblicklich leise zu summen, dann öffneten sich links und rechts Klappen, aus denen ein Gestänge fuhr. Dieses entfaltete sich und umschloss Martins Körper auf Bauchhöhe. Vier Hebel, zwei Gelbe, ein Roter und ein Schwarzer, sprangen aus ihren Verriegelungen. Sie befanden sich nun in bequemer Reichweite seiner Hände.
»Die Steuerung«, sagte Martin fasziniert.
»Sei vorsichtig mit dem Ding«, warnte ihn Eliane.
Doch er achtete nicht auf ihre Worte, zu sehr war er von dem Gerät eingenommen. Er liebte es, neue technische Dinge auszuprobieren.
Sachte zog er an dem roten Hebel.
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