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Die Reise nach Orb - ein Steampunk-Roman (German Edition)

Die Reise nach Orb - ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Die Reise nach Orb - ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Bärtschi
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es stockdunkel und er verrichtete rasch seine Notdurft. Natürlich mit und nicht gegen den Wind, wie er es schon als kleiner Junge gelernt hatte. Als er sich umdrehte um seiner Spur zum Zelt zurück zu folgen, stieß sein Fuß plötzlich an einen Gegenstand unter dem Schnee. Er stolperte und fiel der Länge nach hin.
    Stolpersteine hier in der Eiswüste? Vielleicht ein nachwachsender Eispfeiler? Die Kälte kroch durch seinen Mantel hindurch und er wäre gerne so rasch als möglich ins warme Zelt zu Eliane zurückgekehrt, doch die Neugier überwog. Er taste nach dem Gegenstand, der ihn zu Fall gebracht hatte. Tatsächlich! Da war etwas Hartes unter dem Schnee. Mit beiden Händen schaufelte er rasch den Stolperstein frei. Ohne Licht konnte er zwar nichts erkennen, doch beim Betasten spürte er, durch seine gefütterten Handschuhe hindurch, einen runden Gegenstand von etwa dreißig Zentimetern Durchmesser. Als er weiter den Schnee weg buddelte, bemerkte er, dass er auf einen hohlen zylinderförmigen Körper gestoßen war. Auch nach einem halben Meter erreichte er noch nicht das Ende des Zylinders. War es ein Trümmerstück oder gar ein Teil einer Maschine, die hier unter dem körnigen Schnee vergraben lag?
    »Wir werden das morgen herausfinden«, hörte er Elianes Stimme hinter sich. Sie war ihm gefolgt, wohl in der Sorge, es könnte ihm etwas zugestoßen sein. »Komm zurück ins Zelt. Ohne Licht können wir nichts ausrichten.«
     

 
    DER SCHRAUBENDAMPFER
     
    Als die erste der beiden Sonnen über den Horizont lugte, weckte ihn Eliane. Er war nach seiner nächtlichen Entdeckung wieder in einen traumreichen Schlaf gefallen. Eliane schmolz nochmals Schnee in ihrem improvisierten Pfännchen und bereitete für sie beide einen Trunk mit ihrem goldenen Pulver zu. Martin schien es mehr eine Art Zaubertrank zu sein als ein Tee, so wie ihn Miraculix, der Druide, für Asterix und Obelix gebraut hatte, in den Comic-Heften, die er in seiner Jugend gelesen hatte. Nach dem Genuss des warmen Getränks fühlte er sich, als könne er Bäume ausreißen.
    Sie machten sich auf die Suche nach dem Zylinder, doch der Wind hatte die Spuren verwischt und den mysteriösen Gegenstand wieder mit Schnee zugedeckt. Martin hätte ihn allein wohl kaum wiedergefunden. Doch Eliane schien einen außergewöhnlichen Spürsinn zu besitzen. Sie hatte sich wohl die Position anhand der Eispfeiler eingeprägt – trotz der nächtlichen Finsternis. Zu zweit ging das Graben schneller und schon bald gelangten sie zu dem mysteriösen Gegenstand. Er bestand aus einem dunklen und trotz seiner Dünnwandigkeit hochfesten Metall.
    »Ein Kamin«, stellte Eliane fest. »Und wo ein Kamin ist, muss auch eine Dampfmaschine sein.«
    Tatsächlich endete der Kamin nach anderthalb Metern in einer Maschine. Sie freizulegen, war jedoch ungleich schwieriger. Der Wind blies immer wieder neue Ladungen Schneekörner in die Grube, die sie mit ihren Händen ausgehoben hatten. Auch wurde der Untergrund immer fester, je weiter sie in die Tiefe gruben. Die Schneekörner gingen in eine Eisschicht über.
    »Es ist tatsächlich eine Dampfmaschine, eine alte Konstruktion«, bemerkte Eliane. »Ich schätze, es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder gehört sie zu einem Luftschiff, das hier abgestürzt ist, oder zu einem Schraubendampfer. Im ersten Fall werden wir vermutlich nicht viel finden, im zweiten könnten wir mit Glück auf den Dampfer stoßen.«
    »Aber wie bekommen wir ihn frei und an die Oberfläche, wenn es ein Dampfer ist?«
    »Indem wir ihn in Betrieb setzen.« Sie ließ ihr wieherndes Lachen erschallen, das so gar nicht zu ihr passen wollte. Martin wusste nicht, was sie an ihrer Situation so amüsant fand. Sie hatten ohnehin keinen Brennstoff, um die Maschine anzuheizen. Es sei denn, es befände sich welcher auf dem Dampfer unter dem Eis.
    »Wir haben keinen Brennstoff. Wie willst du denn die Maschine in Betrieb nehmen?«
    »Wir haben zwar nicht viel, aber es dürfte reichen.« Sie klopfte auf ihren Gürtel unter dem Mantel. »Wenn wir Pech haben, finden wir nur die Maschine eines abgestürzten Luftschiffes und verbrauchen unseren ganzen Vorrat an Karbonfluxer. Doch ohne Risiken einzugehen, kommen wir nicht von hier weg.«
    Eliane arbeitete mit ihrem Messer weiter und kratzte das Eis Schicht um Schicht von der Maschine. Martin transportierte es aus der Grube, die sie ausgehoben hatten. Sie kamen nur langsam voran und vom eigentlichen Schraubendampfer war noch nichts zu sehen.

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