Die Reise nach Orb - ein Steampunk-Roman (German Edition)
eher um eine Art Funkübertragung handelte. Doch wieso hatten die Bewohner dieses Planeten die Technik nicht weiterentwickelt hin zu Funk, Radio und Fernsehen? Eliane unterbrach seinen Gedankengang:
»Aus welcher Außenwelt stammst du, Martin?«
»Von einem anderen Planeten, so wie ich die Situation einschätze …«
»… das ist mir schon klar, aber hast du eine Ahnung, wo im Æther dein Heimatplanet liegt?«
»Im Æther? Was verstehst du darunter?«
»Vielleicht nennt ihr es bei euch anders. Der Æther ist der Raum da oben.« Sie deutete mit der Hand zum Giebel des Zeltes. »Dort draußen, wo oft in der Nacht das Himmelslicht zu sehen ist, herrscht der Æther. Alles ist von seinen feinen unsichtbaren Linien durchzogen, alles ist mit allem verbunden.«
Er fand diese Vorstellung faszinierend. Für die Erdenbewohner war der Weltraum zwischen den Sternen leer, höchstens von gefährlicher Strahlung erfüllt, die die Astronauten bedrohte. Der Begriff Æther schien hier auf diesem Planeten überhaupt eine große Bedeutung zu haben. Martin dachte an die Ætherpistolen und -Gewehre, deren Funktion er bisher nicht durchschaut hatte. Ob da ein Zusammenhang bestand, mit dem Æther draußen im Weltraum? Oder war der Æther bloß ein Synonym für alles, was nicht erklärbar war?
»Ich weiß nicht, wo meine Heimat liegt, ob sie weit oder nahe ist, oder gar unerreichbar in einem anderen Universum, in einer anderen Dimension. Ich hatte bisher auch kaum Gelegenheit, den Nachthimmel zu betrachten und nach bekannten Sternenkonstellationen zu suchen. Doch wie steht es mit den Bewohnern dieser Welt? Wie weit ist die Sternenkunde fortgeschritten, wie stark sind eure Teleskope?«
»Von Sternen weiß ich nichts. Doch in Orb gibt es ein großes Teleskop. Man sagt, dass damit sogar nahe Ætherschiffe gesehen werden können.«
Martin war wie elektrisiert.
»Dort draußen im Weltraum … im Æther, soll es Schiffe geben?«
»Natürlich, sie folgen den Ætherlinien und reisen zu anderen Planeten. Schließlich sind unsere Vorfahren auch so hier angekommen.«
Ein weiteres Teil in einem großen Puzzle. Martin fiel es wie Schuppen von den Augen. Natürlich! Diese Eiswelt mit ihren Gräben und Kesseln war zu wenig lebensfreundlich, um eine Zivilisation hervorzubringen, wie er sie angetroffen hatte. Diese Menschen und vielleicht auch ihre Maschinen waren von außen gekommen, von einem anderen Planeten. Ob sie hier mit einem Raumschiff gestrandet waren oder ob diese Welt absichtlich besiedelt worden war?
»Gibt es denn auch Raum…, ich meine Ætherschiffe irgendwo auf diesem Planeten?«
»Leider ist es meines Wissens noch niemandem gelungen, ein Ætherschiff zu bauen.«
Schade, dachte Martin, vielleicht wäre so ein Ætherschiff eine Möglichkeit gewesen, nach Hause zurückzukehren. Doch was würde mit seiner Stiefmutter geschehen, wenn er zurückkehrte? Isabelle würde wohl alleine hier bleiben, wenn er sie nicht mitnehmen konnte. Oder existierte sie gar an beiden Orten, auf beiden Planeten zugleich? Er ahnte, dass die Dinge viel komplizierter waren, als er sich vorstellen konnte.
»Ich muss rasch nach draußen«, sagte er zu Eliane. Ihn drückte die Blase. Sie nickte verständnisvoll und er löste sich aus ihren Armen und öffnete den Eingang des Zeltes, der aus einem Schlitz in der Luftschiffhülle bestand, den Eliane mit ihrem Messer angebracht hatte. Die Öffnung schloss sich hinter ihm fugenlos, als wäre das Material erinnerungsfähig.
Ein erstaunlicher Stoff, diese Hülle, dachte Martin. Sie war sehr elastisch und äußerst widerstandsfähig und zugleich ein ausgezeichneter thermischer Isolator. Er konnte sich an kein gleichwertiges Material auf der Erde erinnern. Überhaupt existierten hier auf dieser Welt Stoffe mit außergewöhnlichen Eigenschaften. Dazu gehörte auch die Metallfolie, auf der im Zelt der Karbonfluxer glühte. Gewöhnlicher Stahl wäre schon längst geschmolzen.
Draußen war es bitterkalt und er fröstelte. Der Sturmwind hatte kein Bisschen nachgelassen. Über ihm waberte ein Himmelslicht, wie Eliane sagte, oder ein Nordlicht, wie man es auf der Erde nannte. Es war wunderschön und er hätte dem Spiel der farbigen Lichtervorhänge noch lange zusehen können. Doch dazu war es zu kalt. Er seufzte und entfernte sich vom Zelt. Er wollte sein Geschäft nicht in unmittelbarer Nähe verrichten, auch wenn es hier vermutlich keine Rolle spielte.
Zwischen den Eistürmen, wo das Himmelslicht nicht hin schien, war
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