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Die Reise Nach Petuschki

Titel: Die Reise Nach Petuschki Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wenedikt Jerofejew
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Menschen nichts gelassen, außer »Schmerz« und »Angst«, und nach alledem, nach alledem ist das Lachen bei euch öffentlich und die Tränen sind tabu ...!
    Jetzt etwas sagen, um dieses ganze Ungeziefer mit einem einzigen Verb auszutilgen! Etwas sagen, um die Völker des Altertums in Verwirrung zu stürzen ...!
    Ich dachte nach und sagte:
    »Fürstin! He, Fürstin!«
    »Was willst du schon wieder?«
    »Du hast keine Ziehharmonika mehr. Ich kann sie nicht mehr sehen.«
    »Was kannst du denn sehen?«
    »Nur noch eine Hasenscharte.«
    (Sie drehte sich nicht um und hörte nicht auf, aus dem Fenster zu sehen, während sie mit mir sprach.)
    »Du bist mir selber so eine Hasenscharte.«
    Was soll's, wenn sie meint, dann bin ich eben eine Ha-senscharte. Ich fühlte mich plötzlich furchtbar elend und müde und ließ mich auf die Bank fallen. Ich konnte mich beim besten Willen nicht mehr erinnern, wozu ich durch die Abteile gelaufen war und diese Frau getroffen hatte ... Ich möchte doch wissen, was da so wichtig war ... »Hör mal, Fürstin! Wo ist eigentlich dein Kammerdiener Pjotr? Ich habe ihn seit letztem August nicht mehr gesehen.«
    »Was faselst du da?«
    »Ehrenwort, ich habe ihn seither nicht mehr gesehen. Wo ist er, dein Kammerdiener?«
    »Er ist genauso gut deiner wie meiner!« fauchte die Fürstin. Und plötzlich wandte sie sich von dem Fenster ab und stürzte zur Tür, ihr Kleid am Boden nachschleifend. An der Tür blieb sie stehen, wandte mir ihr heiseres, brüchiges, tränenüberströmtes Gesicht zu und schrie mich an:
    »Ich hasse dich, Andrej Michajlowitsch! Ich hasse dich!!« Und verschwand.
    »Ja-a-a!« Ich dehnte dieses »ja« wie jüngst der Dekabrist. »Das lasse ich mir gefallen. Die hat's mir ganz schön gegeben!« Und doch ist sie gegangen, ohne mir eine Antwort auf das Wichtigste gegeben zu haben! ... Himmlische Mutter, was war bloß dieses Wichtige? Im Namen Deiner Güte — laß es mir einfallen! ... Kammerdiener!
    Ich klingelte mit dem Glöckchen... Nach einer Stunde klingelte ich wieder.
    »Kammerdiener!!«
    Der Diener kam herein, ganz in Gelb, mein Kammerdiener namens Pjotr. Ich habe ihm einmal im Suff geraten, ganz in Gelb herumzulaufen, bis zu seinem Tod. Und seither läuft er prompt nur noch in Gelb herum, der Idiot.
    »Weißt du was, Pjotr? Hab ich eben geschlafen oder nicht? Was meinst du?«
    »In jenem Abteil schon.«
    »Und in diesem nicht?«
    »Nein, in diesem nicht.«
    »Das erscheint mir sonderbar, Pjotr... Zünde die Kandelaber an. Ich mag es, wenn die Kandelaber brennen, obwohl ich nicht so recht weiß, was das ist...
    Ich werde nämlich wieder unruhig, weißt du... Wenn es also so ist, wie du sagst, Pjotr, so habe ich in jenem Abteil geschlafen, und in diesem hier bin ich aufgewacht. Stimmt's?«
    »Weiß ich nicht. Ich habe in diesem Abteil selbst geschlafen.«
    »Hm. Gut. Doch warum bist du denn nicht aufgestanden, um mich aufzuwecken? Warum?«
    »Weshalb hätte ich dich wecken sollen? In diesem Abteil konnte ich dich nicht wecken, weil du in diesem Abteil von selbst aufgewacht bist.«
    »Du machst mich ganz kopfscheu, Pjotr, hör auf. Laß mich nachdenken. Siehst du, Pjotr, ich kann und kann die Antwort auf eine Frage nicht finden, so groß ist diese Frage.«
    »Und was für eine Frage ist das?«
    »Die Frage ist die, ob ich noch etwas zu trinken habe.«

Höllenbreughel — Leonowo
    »Nein, nein, du mußt das richtig verstehen. Es ist nicht die Frage selbst, es ist einfach das Mittel zur Beantwortung der Frage. Weißt du, wenn das Herz aus dem Rausch erwacht, kommen Angst und Unsicherheit auf. Wenn ich jetzt was trinken könnte, wäre ich nicht länger so zerrissen und konfus. Fällt es denn sehr auf, daß ich zerrissen bin?«
    »Es fällt überhaupt nicht auf. Nur die Fresse ist geschwollen.«
    »Das macht nichts. Die Fresse — das macht nichts »Und zu trinken ist auch nichts da«, stellte Pjotr fest, stand auf und zündete die Kandelaber an.
    Ich fuhr zusammen. »Das ist gut, daß du die Kandelaber anzündest. Ich bin etwas unruhig, weißt du. Wir fahren und fahren die ganze Nacht, und niemand ist da, außer uns.«
    »Wo ist eigentlich deine Fürstin, Pjotr?«
    »Sie ist schon lange ausgestiegen.«
    »Wo ist sie ausgestiegen?«
    »In Chrapunowo. Sie war auf dem Weg von Petuschki nach Chrapunowo. In Orechowo-Sujewo ist sie eingestiegen und in Chrapunowo ausgestiegen.«
    »Wie kommst du auf Chrapunowo? Was faselst du da, Pjotr. Du machst mich ganz kopfscheu, hör auf. So, so

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