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Die Reise Nach Petuschki

Titel: Die Reise Nach Petuschki Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wenedikt Jerofejew
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auf welcher Seite in Fahrtrichtung des Zuges »Sau« auf der Scheibe steht.
    Ich rannte auf die Plattform hinaus und sah nach rechts: auf der beschlagenen Scheibe stand schön und deutlich »Sau«. Ich sah nach links: da stand ebenfalls »Sau«. O mein Gott! Ich faßte mir an den Kopf und lief ins Abteil zurück. Mir blieb wieder die Luft weg, und ich begann erneut zu torkeln. Ganz ruhig, ganz ruhig... Erinnere dich, Wenitschka,- den ganzen Weg von Moskau hast du links in Fahrtrichtung gesessen und alle Schnurrbärtigen, alle Mitritschs und alle Dekabristen — alle saßen rechts in Fahrtrichtung. Wenn du also in die richtige Richtung fährst, muß dein Köfferchen auf der linken Seite in Fahrtrichtung liegen. Siehst du, wie einfach das ist!
    Ich hastete durch den ganzen Wagen auf der Suche nach meinem Köfferchen, aber das Köfferchen war nirgends zu sehen, weder rechts noch links.
    Wo ist mein Köfferchen?!
    »Ist schon gut, Wenja, beruhige dich. Laß nur. Das Köfferchen ist Nebensache, das wird sich später wieder auffinden. Beantworte dir erst eine Frage: wohin fährst du? Dein Köfferchen kannst du danach suchen. Die Antwort finden oder eine Million? Natürlich erst die Antwort finden und dann meinetwegen die Million.«
    »Du bist edel, Wenja. Trink den Rest Kubanskaja darauf, daß du edel bist.«
    Ich trank den Rest aus, den Kopf nach hinten geworfen. Augenblicklich zerstreute sich das Dunkel, in das ich eingetaucht war, und Morgenlicht flackerte aus den Tiefen der Seele und des Verstandes auf. Vor meinen Augen begann ein Wetterleuchten, ein Aufleuchten auf jeden Schluck und auf jeden Schluck ein Aufleuchten.
    »Der Mensch darf nicht einsam sein — das ist meine Meinung. Der Mensch muß sich den andern geben, auch wenn ihn keiner haben will. Und wenn er trotzdem einsam bleibt, muß er durch die Abteile laufen. Er muß Menschen finden und ihnen sagen: ›Da bin ich. Ich bin einsam. Ich gebe mich euch restlos (weil ich den Rest eben ausgetrunken habe, ha-ha!). Und ihr müßt euch mir geben und mir dann eine Frage beantworten: Wohin fahren wir? Von Moskau nach Petuschki oder von Petuschki nach Moskau?‹«
    »Muß der Mensch nach deiner Meinung so handeln?« fragte ich mich, den Kopf nach links geneigt.
    »Ja, genau so«, antwortete ich mir selbst, den Kopf nach rechts geneigt. Man kann doch nicht ewig die »Sau« auf beschlagenen Scheiben studieren und sich mit Rätseln herumschlagen ...!
    Ich begann, durch die Abteile zu laufen. Im ersten war niemand, nur der Regen peitschte durch die geöffneten Fenster. Im zweiten war auch niemand, nicht einmal Regen ... Im dritten war jemand ...

Kilometer 113 — Höllenbreughel
    ... eine Frau, ganz in Schwarz, von Kopf bis Fuß, stand am Fenster und sah teilnahmslos in den Nebel hinaus, ein Spitzentaschentuch an die Lippen gepreßt. Nicht zu fassen! Eine Kopie des »Untröstlichen Kummers«. Eine Kopie von dir, Jerofejew, dachte ich sofort und brach innerlich in Gelächter aus.
    Leise, auf Zehenspitzen, um die Verzauberung nicht zu stören, schlich ich mich von hinten an sie heran und verbarg mich. Die Frau weinte ...
    Sieh dir das an. Ein Mensch sondert sich ab, um zu weinen ... Doch ist er nicht einsam von Anbeginn. Wenn der Mensch weint, will er nur nicht, daß jemand Zeuge seiner Tränen wird. Und das ist ganz richtig so. Denn gibt es auf der Welt etwas Erhabeneres als die Untröstlichkeit...? Oh, jetzt etwas sagen, etwas so Großes, daß sich die Augen aller Mütter mit Tränen füllen, daß sich die Schlösser und Hütten, die Zelte und Kischlaks in Trauer hüllen ...!
    Was sollte ich also sagen?
    »Fürstin«, rief ich sie leise an.
    »Was willst du?« antwortete die Fürstin und sah weiter aus dem Fenster.
    »Nichts weiter. Du hast im Rücken eine Ziehharmonika, sonst nichts.«
    »Quatsch nicht, Kleiner. Das ist keine Ziehharmonika, das ist mein Nasenbein. Setz dich lieber hin und halt den Mund, das ist gescheiter
    Ich in meiner Situation den Mund halten! Ich, der durch alle Abteile gelaufen ist, um des Rätsels Lösung zu finden! Schade, daß ich vergessen habe, worum es in dem Rätsel ging, doch ich erinnere mich, daß es etwas sehr Wichtiges war ...
    Aber das ist jetzt egal, ich komme später darauf... Eine Frau weint, das ist viel wichtiger... Oh, ihr Ruchlosen! Ihr habt meine Erde zu einer stinkenden Hölle gemacht. Ihr zwingt uns, unsere Tränen vor den Menschen zu verbergen und unser Lachen zur Schau zu stellen...! Oh, ihr niedrigen Subjekte! Ihr habt den

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