Die Reise nach Trulala
Dann sollte Korchagin in den Brunnen springen und die Münzen vom Boden aufsammeln, Mascha würde währenddessen draußen Schmiere stehen. Das Ganze schien nicht besonders kompliziert.
»Seltsam, dass vor uns noch niemand auf diese Idee gekommen ist«, wunderte sich Korchagin.
»Du solltest dich in erster Linie auf die großen, silbernen Münzen konzentrieren, und erst wenn du die alle hast, kommen die kleinen gelben dran«, instruierte ihn Mascha auf dem Weg zum Park. Das Tor war geschlossen, aber Korchagin kletterte problemlos über den Zaun. Der Park war menschenleer, die Brunnenanlage wurde von zwei Scheinwerfern angestrahlt, und die Münzen unter Wasser waren gut zu sehen. Sie funkelten und lockten Korchagin: »Spring rein und hol uns hier raus«, flüsterten sie. Korchagin zog sich nackt aus und sprang in das Becken. Dann noch einmal und noch einmal, aber immer wieder kam er mit leeren Händen an die Oberfläche, als wären die Münzen am Boden des Beckens festgeklebt.
»Verfluchte Franzosen!«, schimpfte Korchagin. Das Becken war viel tiefer, als er gedacht hatte, und er kam nicht tief genug. »Ich brauche ein Gewicht«, sagte sich Korchagin und ging im Park auf Suche nach einem Stein. Mascha lehnte am Zaun und beobachtete die Straße. Es war so ruhig wie auf einem Friedhof. Nach einer halben Stunde brachte Korchagin ihr die erste Beute. Die Münzen waren enttäuschend klein und gar nicht gelb oder silbern, sondern schienen grün oxidiert zu sein. Alles wertlose Centimes. Korchagin gab jedoch die Hoffnung nicht auf. Seiner Freundin sagte er, gerade eben hätte er unter Wasser einen
Haufen größerer Münzen entdeckt, und die wolle er noch hochholen. Dann verschwand er wieder im Park.
Mascha säuberte inzwischen das Geld mit ihrem Taschentuch, bis es wieder anfing zu glänzen. Schon bald sah ihre Beute nicht mehr wie Münzen aus dem Brunnen aus, sondern wie richtiges Geld. Eine halbe Stunde war um, aber Korchagin kam und kam nicht. Mascha fing an, sich Sorgen zu machen. Da hielt plötzlich eine schicke schwarze Limousine direkt vor ihrer Nase. Eine Scheibe rollte langsam herunter. Auf dem Rücksitz saßen vier Männer mit schwarzen Kapuzen auf dem Kopf und Maschinengewehren auf den Knien. Zwischen ihnen saß Korchagin, nackt wie Adam, und guckte blöd. Mascha musste lachen, weil das Ganze wie eine Szene aus einem billigen Ninja- Film aussah. Einer der schwarzen Männer winkte mit seiner Waffe und sagte etwas auf Französisch. Mascha reagierte blitzschnell. Sie blickte besorgt auf ihre Uhr und tat so, als müsse sie sich beeilen und würde den nackten Mann in der Limousine nicht kennen. Daraufhin hörte sie Korchagins Stimme: »Komm her, Mascha!« Sie beschimpfte ihren Freund als Verräter, hatte aber keine Wahl mehr und stieg in den Wagen. Das Projekt »Brunnenüberfall« war geplatzt. Die beiden konnten nicht wissen, dass der Jardin du Luxembourg Tag und Nacht überwacht wird. In jedem Baum hängt eine Videokamera, und hinter jedem Busch ist eine Alarmanlage installiert. Als die Polizei auf ihren Monitoren einen nackten Mann mit einem riesengroßen Stein in der Hand auftauchen sah, der wie ein Irrer durch den Park lief, dachte sie sofort, dass muslimische Fundamentalisten einen Terroranschlag vorbereiteten, und schickte eine spezielle Einheit los: die französische Antiterrorgruppe. Die Männer in Schwarz fischten Korchagin aus dem Becken und betäubten ihn zur Sicherheit ein bisschen. Schnell stellten sie fest, dass ihnen nicht zwei gefährliche Terroristen, sondern nur ein paar durchgedrehte russische Touristen ins Netz gegangen waren. Sie amüsierten sich über die beiden und übergaben sie der Pariser Polizei. Dort überprüften die Beamten ihre Pässe. Korchagin hatte sich inzwischen von dem Schock erholt, er bekam eine warme Decke und sah nun wie ein echter Indianer aus. Mascha war immer noch sauer auf ihn.
»Warum hast du mich zum Wagen gerufen, du hättest doch so tun können, als ob du mich nicht kennen würdest, dann wäre zumindest ich noch auf freiem Fuß!«, schimpfte sie.
»Halt endlich deine Klappe, bitte«, erwiderte Korchagin. Auf Englisch fragte er einen der Polizisten, mit welcher Strafe er zu rechnen habe.
»Mit der Guillotine«, meinte der Polizist und fasste sich zur Bekräftigung an die Gurgel.
»Der spinnt doch nur«, meinte Mascha. Korchagin war aber trotzdem völlig niedergeschlagen. »Egal ob die spinnen oder nicht, die Sache wird schlecht für uns ausgehen, ich habe da so
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