Die Reise nach Trulala
Stellenwert haben. »Eine echte russische Braut muss unter dem Pelz nackt sein«, erklärte mir der Fotograf genüsslich - und knipste die Touristen vor dem Leninmausoleum.
Außerdem waren alle Deutschen, denen ich in Moskau begegnete, von Liebeskummer befallen und von ihrer Liebe zu den russischen Frauen ziemlich angeschlagen. Das bereitete den Mitarbeitern des deutschen Konsulats dort große Sorgen. Viele Reisende, die zum ersten Mal die russische Märchenwelt besuchen, kommen mit einem Traum nach Russland: eine arme, bildhübsche Russin kennen zu lernen, nur um sie zu retten. Gleich am ersten Tag gehen sie von ihrem Traum beherrscht in ein Nachtlokal, und in Minutenschnelle verwandelt sich der Traum in nackte Realität. Schier verrückt vor Liebe belagern sie gleich anschließend das Konsulat und fordern für ihre Nataschas, Tanjas oder Lenas eine Einreisegenehmigung nach Deutschland. Ob Diplomaten, Professoren, Geschäftsleute, Künstler oder Wissenschaftler, kaum einer bleibt von diesem Zauber verschont.
Auch die russischen Frauen lieben Deutsche, weil sie so zahm sind, halbwegs gute Manieren haben und nicht so geizig wie die Finnen sind. Ein deutscher Schriftsteller, der genau wie ich auf Einladung des Goethe-Instituts Russland besuchte, wurde sogar dort von drei Frauen in Pelzmänteln überfallen mitten auf der zugefrorenen Newa in St. Petersburg. »Mein Geld haben sie nicht genommen«, erzählte er stolz, »dafür aber mein Buch und meine Brille.« Außerdem bissen ihm die Frauen einen Knopf von seiner Jacke ab, zum Andenken an diese wundersame Begegnung mit einem deutschen Dichter.
Aber auch die deutschen Frauen werden von den Russen nicht links liegen gelassen: Eine Mitarbeiterin des Goethe-Instituts erzählte mir, dass sie in ihrem ganzen Leben nicht so viele Heiratsanträge bekommen habe wie in den zwei Jahren ihres Dienstes in St. Petersburg. Obwohl sie auf keinen eingegangen war, machte auch diese Frau einen sehr glücklichen Eindruck. Also doch glücklich im Schnee? Als wir zurück nach Berlin kamen, wollte ich Martin anrufen, um ihm von meinen Erlebnissen zu erzählen, doch er war schon wieder weg unterwegs, angeblich nach Tadschikistan und wieder mit dem Fahrrad.
»Das schafft er bestimmt locker in drei Wochen«, sagte Olga dazu, und ich gab ihr diesmal sofort Recht.
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