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Die Reise nach Trulala

Titel: Die Reise nach Trulala Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaminer Wladimir
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immer noch seelenruhig an seinem Platz und hatte anscheinend auch nicht vor abzuhauen. Im Gegenteil, er winkte Mascha freundlich zu und lächelte milde, als sie ihm voller Zorn die leere Büchse vor die Nase hielt.
    »Ihr seid Russen, nicht wahr?«, fragte er sie plötzlich auf Russisch, fast ohne Akzent. »Warum seid ihr Russen nur so blöde? Was dachtet ihr denn, was da drin ist? Wurst? Oder Kaviar?« Der Jugoslawe lachte.
    »Vielleicht sind wir blöd, du aber bist ein Schurke«, erwiderte Mascha. »Die Dosen, die du uns verkauft hast, sind leer, da ist nichts drin!«
    »Richtig«, bestätigte der Jugoslawe, »gar nichts ist in meinen Büchsen. Nur Luft. Pariser Luft, das beliebteste Souvenir bei allen Touristen. Wenn sie zurück nach Hause kommen, dann können sie noch mal daran riechen und sich dabei an das schöne Paris erinnern. Ihr habt euch den Spaß schon versaut. Aber macht nichts, ihr seid ja noch in Paris, also atmet tief ein. Ich mache das schon seit zehn Jahren und bin total fit!« Der Jugoslawe holte tief Luft und klopfte sich mit der Faust auf die Brust. »Gut bekömmlich, die Pariser Luft!«
    »Du bist ein Mistkerl«, sagte Mascha zu ihm. »Ich habe dir unser letztes Geld gegeben, und du hast mich für dumm verkauft und dabei noch so getan, als könntest du kein Russisch.«
    »Das stimmt nicht«, verteidigte sich der Jugoslawe, »du hast mich ja auch nicht auf Russisch angesprochen. Woher sollte ich wissen, wer ihr seid? Ihr hättet ja auch aus der Türkei kommen können.«
    »Geben Sie uns einfach das Geld wieder zurück«, schlug
    Korchagin vor, um die sinnlose Diskussion zu beenden.
    »Kommt nicht in Frage«, erwiderte der Verkäufer. »Ihr habt für eure Groschen immerhin meine Luft geschnüffelt. Wisst ihr eigentlich, was es mich kostet, das Zeug in Büchsen zu kriegen? Wir sind quitt.«
    Mit leeren Händen gingen Korchagin und Mascha wieder zurück zum Jardin du Luxembourg. Überall in den Kneipen saßen rotwangige Franzosen und amüsierten sich. Sie tranken Bier und Wein und aßen von großen Tellern unbekannte Gerichte. Die Pariser Luft roch nach Fett und Schokolade, sättigte aber nicht.
    Schließlich beobachteten sie zwei Indianer mit langen Haaren, die wie Zwillingsbrüder aussahen, von einer Kneipe zur anderen zogen und die Franzosen mit ihrer Folklore unterhielten. Die Indianer trauten sich nicht, in die Kneipen reinzugehen, wahrscheinlich weil sie keine richtigen Musiker waren. Aber die Tische draußen waren auch gut besetzt, und die beiden machten vor jeder Kneipe Halt. Einer zog eine Blockflöte aus der Tasche. Die Töne aus seiner Flöte waren als Musik kaum erkennbar. Sie ähnelten eher dem Piepsen einer Katze, die nicht richtig aufgepasst und unter die Räder eines Citroens gekommen war.
    Trotzdem hatten die Indianer mit dieser Nummer Erfolg. Wenn der eine Bruder mit dem Musizieren fertig war, nahm der andere seinen Hut ab und klapperte die Tische ab. Das Publikum war meist großzügig und warf Münzen in den Hut. Vielleicht gefiel den Leuten die freche Art, mit der die Brüder sie um Geld angingen, vielleicht hatten sie aber auch genug von der indianischen Folklore und wollten sich durch ihre Spende einfach wieder Ruhe erkaufen. Mascha hatte den Indianern eine Weile zugesehen und beschlossen, deren Erfolgskonzept zu kopieren.
    »Was die können, können wir auch«, meinte sie zu ihrem Freund.
    »Aber dafür brauchen wir mindestens einen Hut und eine Blockflöte«, wandte Korchagin ein.
    »Nein«, widersprach Mascha, »wir brauchen keine Flöte und auch keinen Hut, wir sind doch keine Indianer. Wir werden es euch noch zeigen!«, drohte Mascha in Richtung eines nahe gelegenen Restaurants.
    »Was hast du vor?«, fragte Korchagin seine Freundin misstrauisch.
    »Ich möchte das Pariser Publikum mit einem Stück wilder russischer Folklore überraschen«, erklärte Mascha. Sie war inzwischen ziemlich hungrig und zu allem bereit. »Wir haben auf der Theaterschule nicht umsonst tanzen gelernt. Ich werde einen Bauchtanz hinlegen, und du sammelst dann mit einem Pappteller das Geld ein.«
    »Ich denke gar nicht dran, ich käme mir ja wie ein Zuhälter vor«, widersprach ihr Korchagin. »Ich kann nicht mit einem Pappteller in der Hand fremde Menschen um eine kleine Spende bitten. Lieber bringe ich mich um.«
    Mascha gab nicht auf: »Dein Stolz und deine Ehre haben uns in diese beschissene Situation gebracht. Jetzt tu auch was, damit wir da wieder rauskommen. Benimm dich wie ein Mann, sonst

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