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Die Reise nach Trulala

Titel: Die Reise nach Trulala Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaminer Wladimir
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probiert. Die Frage ist nicht, was und wann wir essen, hier geht es um Leben und Tod«, erklärte der dicke Julius und hob seinen Zeigefinger.
    Ein Japaner kroch ins Zelt und fragte auf Englisch, ob er die ganze Bande fotografieren dürfe.
    »Fünf Dollar«, sagte Julius zu ihm. »Ihr dürft mitmachen«, meinte er zu uns.
    Der Japaner holte sein Geld heraus, und wir gingen alle an die frische Luft, um mit dem Desperadospruch vor dem dänischen Parlament zu posieren. Andrej und ich waren die Dünnsten, wir sahen abgemagert aus, hatten eine anstrengende Reise hinter uns und mussten daher in der ersten Reihe stehen. Der Japaner gab uns anschließend seine Visitenkarte, auf der stand, er wäre Journalist bei einer großen Tokioter Zeitung.
    »Bald werden wir in Japan als die Hungernden von Kopenhagen berühmt«, lachte Andrej.
    Den ganzen Tag verbrachten wir im Zelt, wo wir dauernd neue Leute kennen lernten: Dänen, Russen, Amerikaner. Unerwartet viele Einheimische wollten die hungernden Russen unterstützen, sie brachten Lebensmittel und Geld. Ein alter Mann kam mit einer Flasche Wodka herein und meinte, er habe sich nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges vorgenommen, für die Russen etwas Gutes zu tun, hätte aber bisher keine Gelegenheit dazu gehabt. Er übergab uns die Flasche und Geld dazu. Was genau damals im Krieg passiert war, wollte er nicht erzählen, er stieß nur mit uns an und ging wieder fort.
    »Hoffentlich hat der Alte auf der richtigen Seite gekämpft«, sagte Lena nachdenklich und steckte das Geld ein.
    Es schauten auch viele Russen vorbei und fragten, ob alles in Ordnung sei. Die Zeltmannschaft war nur eine kleine Avantgarde der dortigen Russenszene, die sich etwa ein Jahr zuvor auf dem Freiland Christiania angesiedelt hatte.
    »Dort, in dem so genannten Russischen Haus, könnt ihr auch übernachten«, meinte Lena zu uns.
    Am späten Abend brachen wir mit Lena auf. Unterwegs erzählte sie uns einiges über diesen Ort. Es hatte alles mit der Hippiebewegung angefangen. Die Jugendlichen hatten damals das große, leer stehende Kasernengelände mit mehreren Häusern, einem Fluss und einem Stück Stadtmauer in Besitz genommen. Nach jahrelangen Auseinandersetzungen mit der Polizei durften sie mit freundlicher Erlaubnis der dänischen Königin tatsächlich bleiben, Haschisch und Grass unter der Hand verkaufen, eigenes Brot backen und Liegefahrräder bauen.
    Unter solch paradiesischen Voraussetzungen entwickelten sich die rebellischen Jugendlichen schnell zu Spießern. Die einen eröffneten Kneipen mit solch verlockenden Namen wie zum Beispiel »Woodstock« und nahmen die Touristen aus. Die anderen entwickelten voll automatisierte Jointdrehmaschinen und verkauften Joints mit einem Garantiecoupon in der Schachtel: »Wenn Ihnen dieser Joint irgendwie blöd vorkommt, können Sie ihn innerhalb von vierzehn Tagen umtauschen.«
    Die einen wurden reich, die anderen blieben arm. Einst als Freistaat gegründet, zerfiel Christiania bald in viele kleine Gemeinschaften, die einander oft nicht ausstehen konnten. Zu Anfang konnte man die unterschiedlichsten Leute in Christiania treffen: Professionelle Drogendealer, Hippies aus fernen Ländern, dänische Rentner, die schon immer dort gewohnt hatten, ungarische Prostituierte, die in Kopenhagen arbeiteten und jeden Abend mit dem Auto in die Stadt zur Arbeit fuhren, oder norddeutsche Anarchisten mit weißen Bärten und schwarzen Hunden. Die Bewohner hatten einen Haufen Gesetze erlassen, um ihr Zusammenleben zu organisieren und sich vor sich selbst und ihresgleichen zu schützen. So gab es zum Beispiel ein generelles Bauverbot. Um auch nur ein Zelt aufzuschlagen, brauchte man eine Genehmigung der Einwohner aller nebenstehenden Häuser, die jedoch auf ein Monat befristet war.
    Trotz solch scharfer Gesetze entstand eines Tages mitten in Christiania ein »Russlandhaus«. Zuerst waren es nur zwei langhaarige Russen mit Rucksäcken gewesen, die um eine Genehmigung gebeten hatten, in einer der kleinen Gassen zelten zu dürfen. Die Männer sahen ganz vernünftig aus und durften ihr Armeezelt aufstellen. Das Zelt war sehr groß, ein Dutzend Leute konnte darin übernachten, die Russen lebten aber nur zu zweit darin und kamen kaum aus dem Zelt heraus. Nachts durchkämmten sie das Gelände auf der Suche nach großen Steinen, Holz, Brettern und anderen Baumaterialien. Die Nachbarn rätselten, was die Russen in dem Zelt mit all dem Abfall anstellten. Nach einem Monat wurde das Geheimnis

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