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Die Reise nach Trulala

Titel: Die Reise nach Trulala Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaminer Wladimir
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gelüftet: Die Russen bauten ihr Zelt ab, und es kam ein komplettes Haus zum Vorschein - klein, aber durchaus widerstandsfähig, ganz nach dem Vorbild der Hütte der drei kleinen Schweinchen.
    Die Nachbarn regten sich anfänglich sehr darüber auf und versuchten sogar mit Gewalt, das Haus auseinander zu nehmen. Es gelang ihnen aber nicht. Das Russische Haus wuchs weiter, immer mehr Russen zogen dort ein, und schließlich wurde sogar ein zweites Stockwerk gebaut. Am Ende hatte sich das Haus samt seiner Bewohner in das innere Leben Christianias integriert. Die Russen durften in den Kneipen und in der Bäckerei arbeiten und genossen alle Rechte der restlichen Christiania-Bewohner. Nur ein Haken war dabei: Anders als die anderen hielten sich die meisten Russen illegal in Dänemark auf, sie hatten keine Europatauglichen Pässe. Daher hatten jetzt einige versucht, mit einem Hungerstreik an die notwendigen Aufenthaltspapiere heranzukommen. Lena schätzte ihre Situation optimistisch ein. Sie glaubte, dass die dänische Regierung den Russen Asyl gewähren würde, obwohl es bis dahin noch kein Anzeichen für den guten Willen des Parlaments gegeben hatte.
    »Wenn man von den Dänen etwas will, muss man viel Geduld haben. Es sind im Grunde anständige, warmherzige Leute, sie brauchen einfach ein bisschen Zeit, um über die Sache nachzudenken«, meinte sie. Wir erinnerten uns an unsere Erlebnisse beim Trampen und gaben ihr Recht.
    Kurz vor Mitternacht erreichten wir Christiania das Nachtleben dort boomte. Im großen Garten des Russischen Hauses saßen zwei Dutzend Männer und Frauen an einem Lagerfeuer, tranken Wein aus großen Plastikgallonen und unterhielten sich auf Englisch. Eine riesige Wasserpfeife mit mehreren Schläuchen ragte aus der Erde. Im Laufe des Abends konnten wir feststellen, dass nicht nur Russen, sondern alle möglichen Völker am Lagerfeuer vertreten waren. Andrej und mir kam es so vor, als würden wir als unabhängige Beobachter an einer UNO-Konferenz zum Thema »Drogen und Weltfrieden« teilnehmen. Die ganze Welt saß im Garten, nur Australier waren nicht vertreten. Alle sprachen Englisch, aber kein richtiges Englisch, sondern eins, das wir in der Schule als Englisch beigebracht bekommen hatten - für jedes Kind zugänglich. Andrej und ich wurden freundlichst in die Versammlung aufgenommen, aber keiner interessierte sich für uns. Unsere Begleiterin Lena war dagegen mit allen befreundet. Die meisten Anwesenden lebten schon sehr lange in Christiania, sie kifften viel und waren alle miteinander verbandelt. Deswegen konnten wir die Gespräche in der Runde nicht ganz nachvollziehen. Auch waren meine Englischkenntnisse seit der Schulzeit eher schlechter geworden. Ich glaube, es ging in der Hauptsache um ein Pferd und um mehrere Bäume:
    »Es gibt zu wenig Grün vor unserem Haus«, meinte Carlotta aus Deutschland, »deswegen würde ich gerne ein paar Büsche und Bäume dort pflanzen...«
    »Das kommt nicht in Frage«, erwiderte Mikko, der Finne, der im selben Haus wie sie wohnte, »ich besorge mir bald ein Pferd und werde dann abends immer um das Haus reiten. Deine Bäume würden alles versperren.«
    »Bäume sind doch cool«, bemerkte Laszlo aus Ungarn, »dann kann ich meine Hängematte zwischen Carlottas Bäume spannen und tagsüber an der frischen Luft hocken.«
    Der Amerikaner Alan lachte und meinte, das sei alles Quatsch, die Finnen könnten gar nicht reiten: »Ich bin in Montana mit Pferden aufgewachsen, aber du, schweigsames Kind der Fjorde, hast doch noch nie ein Pferd von nahem gesehen!«, sagte er.
    Der Finne war beleidigt: »So eine Frechheit, schon als Kind hatte ich ein Pony, ich komme nämlich aus einer Zigeunerfamilie! Finnische Zigeuner haben traditionell immer schon mit Pferden gehandelt. Und ihr eingebildeten Amerikaner habt doch nur Mäuse und Kojoten in eurer Wüste. Mickymausanbeter!«
    Nun war der Amerikaner beleidigt. »Finger weg von unserer Mickymaus! Ihr Finnen seid doch alle Nazis gewesen, mein Großvater hat im Zweiten Weltkrieg fünfzehn Nazis umgebracht, darunter waren bestimmt ein paar Finnen!«
    »Und mein Opa hat zwanzig Amerikaner umgebracht«, brachte sich Carlotta wieder ins Gespräch. »Zwanzig!« Dabei zeigte sie ihre zehn Finger.
    »Mein Opa dagegen«, brüstete sich Laszlo, »hat acht Deutsche, zwölf Rumänen, fünf Russen und eine Unzahl Engländer umgebracht.«
    »War dein Opa etwa ein Massenmörder? Auf welcher Seite hatte er denn gekämpft?«, wunderten sich einige in

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