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Die Reise nach Trulala

Titel: Die Reise nach Trulala Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaminer Wladimir
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Jelzin mit einer Beule am Kopf auf dem Bildschirm. »Hat etwa der Chinese zurückgehauen?«, rätselten die Russen. Kurzum: Jelzin war peinlich und Bush ebenfalls. Sogar ihre Namen haben einen ähnlichen Klang, denn das Wort »Jelzin« ließ die Russen an einen Tannenbaum denken, und »Bush« ist auch nichts anderes als Holz. Das alles änderte aber nichts daran, dass ich eine Wette nach der anderen verloren hatte, bis auf die Radfahrerwette. Ich wollte in den Augen meiner Frau nicht als Idiot dastehen es ging bei all diesen Wetten schließlich um solche Dinge wie Lebenserfahrung und die Fähigkeit, die Zukunft einzuschätzen.
    Jedes Mal, wenn ich wieder gegen Olga verloren hatte, sagte ich zu ihr: »Na gut, aber mit dem Radfahrer hatte ich doch wohl Recht!«
    »Warten wir es ab«, erwiderte sie stets lächelnd.
    Eines Tages im Winter rief Thomas an und lud uns zum Essen ein. Sein Freund sei endlich zurückgekommen, freute er sich. Für mich war das eine Tragödie. Als wir in das Restaurant kamen, saßen an einem großen Tisch etwa zwei Dutzend Schwaben, alles alte Freunde von Thomas und Martin. Der Held des Tages saß in der Mitte und genoss die allgemeine Aufmerksamkeit. Martin hatte sich kaum verändert, nur sein Bart war zweimal so lang geworden und sein Auftreten sicherer. Außerdem wirkte er irgendwie männlicher als vorher. In der einen Hand hielt er ein Glas, in der anderen eine Flasche Wodka.
    »Meine lieben Freunde, fickt euch ins Knie«, rief er auf Russisch, als er uns sah, dann begrüßte er uns auf altrussische Art mit einem dreifachen Lippenkuss. Begeistert erzählte er von seinen Abenteuern in Sibirien. Auf meine Frage, was nun mit seinem Bundestagsmandat geschehe, meinte er, Politik interessiere ihn nicht mehr, in Zukunft wolle er sich nur noch auf das Reisen konzentrieren. Vor allem fände er die nördlichen Regionen anziehend: Dort, wo der Sommer so kurz ist, die Menschen so direkt sind und der Schnee fast das ganze Jahr über liegen bleibt, fühle er sich besonders wohl. Dort hätte die westliche Konsumwelt die Bevölkerung noch nicht verdorben, die Menschen würden dort nicht nach ihrem Äußeren, sondern nach ihren Taten beurteilt, meinte Martin.
    Kaum in Berlin angekommen, plante er schon seine nächste Reise, diesmal sollte es nach Tadschikistan gehen. Thomas versuchte, seinen Freund von der verrückten Idee abzubringen und ihn für eine weitere politische Karriere in Deutschland zu begeistern. »Die Rechten gewinnen in der Europäischen Union immer mehr an Einfluss«, wütete er. »Ein großes Durcheinander herrscht auf der politischen Bühne, die Bevölkerung Europas ist tief verunsichert. Wo sind die jungen politischen Punks, die diese Sache mit der EU richtig in die Hand nehmen können? Sie sind nicht da! Bleib hier, dich braucht unser Land, und dann fliegen wir mal zusammen nach Spanien, wenn es in Berlin zu kalt wird«, bat Thomas seinen Freund. Doch Martin hatte andere Pläne. Er wollte nichts von Spanien hören, die Schlechtwetterländer zogen ihn an. Er fühle sich nur dort glücklich, wo man etwas überwinden müsse, ein geschenktes Glück mache die Menschen nur lustlos und fett. Und die EU würde auch ohne seine Hilfe irgendwie klarkommen. Wir gratulierten Martin noch einmal zu seiner Rückkehr, tranken den Wodka aus und gingen nach Hause. Die Schwaben feierten jedoch noch die ganze Nacht durch, wie uns Thomas später berichtete.
    Ich fand die ganze Geschichte ziemlich merkwürdig und konnte Martins Begeisterung für die Lebensbedingungen in meiner Heimat nicht nachvollziehen. Erst einige Zeit später, als Olga und ich auf Einladung des Goethe-Instituts mitten im Dezember nach Russland fuhren, um dort »Werbung für die deutsche Sprache und Kultur« zu machen, erinnerte ich mich wieder an unseren Radfahrer. Ob wir in Moskau oder in St. Petersburg über die Straßen gingen, ständig dachte ich: »Ja, das würde Martin gefallen.« Und tatsächlich habe ich in Berlin nie so viele glückliche Gesichter gesehen wie auf den Moskauer Straßen bei minus 20 Grad. Bei minus 25 Grad sahen meine Landsleute sogar noch zufriedener aus. Nachdem ich mir das gründlich angesehen hatte, kam ich jedoch zu dem Schluss, dass die russische Freundlichkeit bei extrem niedrigen Temperaturen nicht nur an der Überwindungslust, sondern zu einem großen Teil auch am hohen Alkoholverbrauch liegt.
    Der Winter in Russland ist hart. Die meisten Männer müssen aber trotzdem aus dem Haus - um Geld zu verdienen und

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