Die Reise zu den Elfeninseln
Nachdenklich kehre ich in meine Kabine zurück. Wenn das eine Warnung war, meine Nase nicht zu weit in die Dinge hineinzustecken, war sie sehr wohlwollend formuliert. Ich habe schon weit drastischere bekommen.
Makri sitzt auf meiner Koje und liest in einer Schriftrolle. Sie trägt eine grüne Elfentunika, die ihr Isuas, das junge Elfenmädchen, gebracht hat. Von den anderen Elfen hat bisher niemand Makri auch nur einer Silbe gewürdigt, aber Isuas kennt anscheinend keine solchen Hemmungen. Aus der Art, wie sie nur einige Minuten, nachdem Makri durchnässt an Bord gebracht wurde, in unsere Kabine gestürmt ist und ihr anbot, ihr ein paar trockene Sachen zu besorgen, schließe ich, dass Makri in ihr eine Freundin gewonnen hat. Makri beeindruckt das jedoch nicht sonderlich.
»Wenigstens eine Person auf dem Schiff, die dich mag. Ich dachte, das würde dich freuen.«
»Sie geht mir auf die Nerven.«
»Warum denn?«
»Weil sie so dürr und jämmerlich ist. Sind alle dreizehnjährigen Elfenmädchen so?«
Das glaube ich nicht, und das sage ich ihr auch. Isuas ist vielleicht ein bisschen klein geraten, aber das scheint mir als Grund für Makris Abneigung ein wenig dürftig.
»Ich hasse dünne Mädchen«, verkündet Makri schließlich sachlich. »In den Sklavengruben hat man sie für Zielübungen benutzt. Wenn ich so dürr gewesen wäre wie sie, wäre ich schon längst tot.«
»Du musst es dem Rest der Welt nachsehen, dass nicht alle Frauen wahnsinnige Kriegerinnen sind«, erkläre ich und fordere sie auf, ein bisschen zur Seite zu rücken, damit ich mich hinsetzen kann. »Außerdem solltest du versuchen, sie nicht zu brüskieren. Abgesehen von Vases ist sie vermutlich der einzige Elf an Bord, der so etwas wie Sympathie für uns hegt. Ist dir klar, dass Lord Khurd mich gewarnt hat? Das habe ich wirklich nicht erwartet. Ich dachte, er wäre erfreut darüber, einen erfahrenen Detektiv zu finden, der die Sache aufklärt. Es ist schon merkwürdig, dass meine Fälle immer gleich von Anfang an so vertrackt sein müssen. Manchmal glaube ich, dass die Götter es auf mich abgesehen haben.«
Makri kommentiert das mit einem knappen Schulterzucken. Religion ist nicht ihr Ding. »Vielleicht solltest du mehr beten. Musst du es immer noch dreimal am Tag tun, selbst auf einem Schiff?«
In Turai ist das Gesetz.
»Ein turanianischer Bürger sollte zu den vorgeschriebenen Zeiten beten, ganz gleich, wo er sich aufhält.«
»Mir ist noch nicht aufgefallen, dass du das tust«, sagt Makri.
»Na ja, meine Knie sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Es ist sehr schwierig, die ganze Zeit auf ihnen herumrutschen zu müssen.«
In Wahrheit bin ich seit zehn Jahren nicht mehr rechtzeitig zu den Morgengebeten aus den Federn gekommen. Und während der beiden anderen Gebete verkrieche ich mich gewöhnlich in mein Zimmer.
»Außerdem könnten Gebete jetzt auch nichts mehr ausrichten. Ich habe dich ja schon am Hals.«
»Was soll das heißen, du hast mich am Hals?«
»Was die Worte besagen. Ich hatte vor, nach Avula zu segeln, so den Strapazen des turanianischen Winters zu entgehen, rasch Elith-la-Gipt von dem Vorwurf der Baumzerstörung reinzuwaschen und den Rest der Zeit damit zu verbringen, in der Sonne herumzuliegen und Bier zu trinken. Und dir ist es gelungen, mir das kaputtzumachen. Ich bin praktisch in meiner Kabine eingesperrt, und wenn wir nach Avula kommen, kann ich von Glück reden, wenn die Elfen überhaupt mit mir sprechen. Schließlich bin ich der Mann, der in Begleitung einer Frau reist, die Orgk-Blut in den Adern hat. Du brauchst mich gar nicht so anzusehen, du weißt genau, dass dies die Wahrheit ist. Ich weiß einfach nicht, warum du unbedingt mitkommen wolltest.«
»Ich wollte gar nicht unbedingt mitkommen. Das war Zufall. Ich habe nur versucht, dein Geld zurückzuholen.«
Ich hege immer noch den Verdacht, dass Makri die ganze Sache inszeniert hat.
»Solltest du nicht zu Hause sitzen und büffeln?«
Makri geht auf die Innungshochschule. Dort belegen die Söhne der Unteren Klassen, die nach Höherem streben, Kurse in Philosophie, Theologie, Rhetorik, Mathematik und was sie da sonst noch unterrichten. Makri ist die erste Frau, die jemals an dieser Hochschule zugelassen wurde. Erst wollte man sie abwimmeln, aber sie hat sich durch ihre überwältigende Persönlichkeit und mit sanfter Erpressung, soll heißen der Drohung mit Rechtsmitteln von Seiten der Vereinigung der Frauenzimmer, Zutritt verschafft. Ihr größter
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