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Die Reise zum Ich

Die Reise zum Ich

Titel: Die Reise zum Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudio Naranjo
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ihre
    Spontanhandlungen gut seien doch sind sie nur noch ein
    Schatten im Vergleich zu ihrer früheren verdrängten Feindse174

    ligkeit und ihrem Schuldgefühl. Eine weitere Besserung trat
    ein, als sie realisierte, daß ihre Unfähigkeit, ihrem Zorn Ausdruck zu geben, auf die Idealisierung ihres Selbstbildes als eines
    »guten«, liebevollen Menschen zurückzuführen war, und daß
    sie sich zum Sklaven dieses Selbstbilds gemacht hatte, anstatt zu
    wagen, sie selbst zu sein, ganz gleich innerhalb welcher Grenzen. Der Heilungsprozeß war nicht vollständig, doch ist ihr Wesen jetzt dem jenes Tigers weit ähnlicher, der sie auf ihrer
    Harmalin-Reise spontan und energisch, anmutig und um die
    Geheimnisse des Lebens wissend geführt hatte. An ihrer Entwicklung läßt sich die Spanne, und damit die Anstrengung ablesen, die von der Erscheinung des jagdlichen Archetypus im
    Wachtraum bis zu seiner Verkörperung, von der als Projektion
    einer Traumsequenz begriffenen Schönheit und Harmonie bis
    zu deren Verwirklichung im Alltagsleben zu überwinden sein
    kann. Von einem zum anderen gelangt man allein durch gründliche Verarbeitung. Denn soll der mit Harmalin erschaute
    »Himmel« ins Irdische transponiert werden, muß sich die jeweils abstrakte, im Symbolbereich gewonnene Einsicht im täglichen Handeln niederschlagen.
    Das Panorama der Sitzungsprotokolle dürfte einen Eindruck
    von dem spezifischen Erfahrungsbereich vermittelt haben, den
    das Harmalin zu erschließen vermag. Freilich ist es allein mit
    der archetypischen Schau noch nicht getan, da sie nicht die
    Gesamtskala
    der
    Harmalinreaktionen
    wiedergibt.
    Manche
    können, wie aus den gegebenen Beispielen hervorgeht, auf eine
    ganz »individuelle« Weise auf Harmalin reagieren. Doch haben
    solche individuellen Reaktionen in Gestalt von Reminiszenzen,
    Traumgesichtern oder Erleuchtungen mit der »mythischen«
    Harmalin-Erfahrung eines gemein: Beide wurzeln im Triebleben. Am häufigsten tauchen in den Harmalin-Visionen Tiger und Neger auf, die sowohl in ihrer aggressiven als auch in ihrer
    sexuellen Bedeutung vornehmlich die triebhafte, elementare,
    naturverbundene Ebene der menschlichen Existenz symbolisieren. Bei der mythischen Vision »fließen« die Triebkräfte im Einklang mit dem kosmischen Plan - wie man es ausdrücken
    könnte. Demzufolge sehen die Betreffenden ein schönes Bild,
    in dem ein jedes Element seinen Platz im Ganzen findet, das
    durch Konflikt und Zerstörung nur reicher wird.
    Bei den nicht-mythischen Visionen scheinen Aggression und
    Sexus ebenso fragwürdig wie zerstörerisch aufzutreten, und
    175

    begreiflicherweise ist dies um so mehr der Fall, je mehr das
    Individuum sich selbst und sein persönliches Leben auf der
    Szene seiner Visionen in den Vordergrund rückt. Nur ein
    Mensch, der frei ist von Furcht und Schuldgefühl, wird sein
    eigenes Leben und seine Lebensumstände im Glanz von Mythos oder Märchen sehen, der jedem Gegenstand eine verborgene Bedeutung verleiht und sich wie ein Juwel offenbart. Hier kann der abstrakte Mythos eines entrückten Heroen als eine
    Art Landkarte dienen; oder als Medium zur Vermittlung einer
    gewissen Einstellung, die in die Kontemplation aller Vorgänge
    mit eingebracht werden kann. Es erübrigt sich, in diesem Zusammenhang zu vermerken, daß keiner der in diesem Kapitel erwähnten Patienten dieses Ziel schon erreicht hatte.
    So nützlich das reine Harmalin für die Psychotherapie sein
    kann, möchte ich doch dieses Kapitel nicht schließen, ohne
    noch einmal hervorzuheben, daß manche Menschen für seine
    psychologischen Wirkungen weitgehend unempfänglich sind.
    Wie erwähnt, verspüren manche lediglich eine körperliche Reaktion auf die Droge - ein gewisses Unwohlsein, Schläfrigkeit oder Übelkeit bis hin zum Erbrechen, die höchstwahrscheinlich
    aus einer Reaktionskonversion resultieren.
    Zu Beginn unserer Versuche mit Harmalin gewannen wir den
    Eindruck, daß diese »nicht-gemäßen« Reaktionen (keine psychischen Wirkungen und Auftreten physischer Beschwerden) am häufigsten bei solchen Individuen auftraten, die sich bei der
    Offenlegung ihrer animalischen Daseinsebene, die der Wirkung des Harmalin eigentümlich ist, unangenehm berührt oder gar elend fühlten. Wenn es stimmt, daß eine dürftige oder gar
    unangenehme Reaktion die Folge des unbewußten verzweifelten Versuchs ist, gerade das zu unterbinden, was durch das Harmalin erreicht werden soll, dann wäre es denkbar, daß man
    mit einer anderen

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