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Die Reise zum Ich

Die Reise zum Ich

Titel: Die Reise zum Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudio Naranjo
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Droge Abhilfe schaffen könnte.
    Zuerst dachte ich an Meskalin, sowohl im Blick auf den Zustand der Selbstakzeptierung, den es herbeiführen kann, als auch auf die Tatsache, daß eine der Ingredienzien des Ayahuasca -Trankes der Eingeborenen des Amazonasgebietes nachweislich DMT = N, N-dimethyl tryptamin enthält (siehe f. a.
    hochstein und a. m. Paradies, »Alkaloids of Banisteria Caapi
    and Prestonia Amazonicum«, in: Journal of the American Chemical Society 79: 5735 [1957]). In der Tat erwies sich, daß kleine Meskalindosen der Produktivität förderlich sind und die unangenehmen Wirkungen mindern, an denen manche Perso176

    nen leiden. Doch erzeugt Meskalin seine eigenen Effekte, die in
    bestimmten Fällen nicht wünschenswert sein können. MDA
    hingegen besitzt alle Eigenschaften einer idealen Zutat. Die
    gefühlssteigernde Eigenschaft des MDA erleichtert die Entschlüsselung
    der
    Bildgesichte;
    seine
    Amphetamin-ähnliche
    Qualität wirkt der Schläfrigkeit entgegen, die das reine Harmalin hervorruft, während seine anregende, den interpersonalen Kontakt und die Kommunikation fördernde Wirkung der Tendenz des Patienten zuwiderläuft, sich zu verschließen. Manche Probanden geraten dabei in einen traumartigen Zustand, an
    dessen Erlebnisse sie sich nachher nicht mehr zu erinnern vermögen.
    Die Wirkung der Drogenkombination scheint sich indes auf
    mehr zu belaufen, als auf die Summierung ihrer Eigenschaften
    in isoliertem Zustand. Zunächst einmal hält die Wirkung der
    Harmalin-MDA-Verbindung viel länger an: im Durchschnitt
    zwölf Stunden. Qualitativ können sich Unterschiede ergeben,
    auf die ich hier nicht näher eingehe, da sie klinisch von geringer
    Bedeutung sind. Doch gibt es eine spezielle Reaktion, die besonders erwähnt werden muß - als Warnung wie als Bekräftigung. Sie besteht in einem Zustand der Verwirrtheit und gro
    ßen Erregung, wobei die betreffende Person mit unsichtbaren
    Gefährten spricht und wild um sich schlägt, ungeachtet der
    Gefahr, sich an der Wand oder am Mobiliar zu verletzen, was
    den
    Eindruck
    erweckt,
    als
    würden
    die
    gewöhnlich
    bei
    Harmalinerfahrungen symbolhaft in Tiergestalt oder anderen
    Traumgcbilden
    auftretenden
    Aggressionen
    auf
    physischem
    Wege, wenn auch noch delirierend, abgebaut. Dies habe ich
    (unter etwa dreißig Sitzungen) zweimal mitangesehen, und
    beide Male folgte darauf Amnesie. So alarmierend diese Wirkungen zu jener Zeit schienen, erwiesen sie sich doch als extrem wohltätig für die Patienten, aus Gründen, über die man
    leider nur Vermutungen anstellen kann.
    In dem einen Fall handelte es sich um eine scheue, gehemmte
    junge Frau, die bereits zu Anfang der Sitzung nach ihrer abwesenden Mutter zu schreien begann und sich alles von der Seele redete, was sie ihr gegenüber ihr Leben lang zurückgehalten
    hatte. Bald verwirrte sich ihre Rede, und mit ihr in Kontakt zu
    treten, wurde nahezu unmöglich. Sie ließ sich in ihrem Rollenspiel - einem Dialog, bei dem sie beide Partien übernahm -
    nicht stören, der immer schwieriger zu verfolgen war, weil sie
    nur noch murmelte. Doch immerhin war zu ersehen, daß jene
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    energische, direkte Person, in die sie sich jetzt verwandelte, das
    genaue Gegenteil ihres normalerweise scheuen, depressiven
    Selbst sein mußte. Bis sie wieder zu sich kam, war sie vom Hin-
    und Herrollen auf dem Fußboden wund gescheuert; ihre
    Stimme und ihre Bewegungen hatten sich indes merklich verändert. Auch hatte sie sich etwas von ihrer Selbstsicherheit unter Droge bewahrt, die ihr im Leben fehlte. Diese Veränderung
    hielt an und übertrug sich auch auf ihre Einstellungen und
    Entscheidungen. Gerade diese Patientin hatte einige Zeit vorher in nicht-therapeutischem Rahmen unter Wirkung von LSD
    kurze Augenblicke einer unerhörten inneren Befreiung durchlebt, die sie indes nicht in ihr Leben zu übertragen vermochte.
    Obwohl sie sich nicht mehr an ihre Gefühle und Worte erinnerte, erwies sich, daß der zeitweilige Verlust der Kontrolle eine
    ihr
    ganzes
    Leben
    verändernde
    Katharsis
    eingeleitet
    hatte.
    Der andere Fall war dem Wesen nach ähnlich: Hier handelte es
    sich um eine frigide Frau, die eine Reaktion von zwangsneurotischem Charakter durchmachte. Vier Stunden wälzte sie sich auf dem Boden und sprach dabei ununterbrochen, ohne sich nachher an ihre Erfahrung erinnern zu können, ging aber hochgradig erfrischt und mit der Fähigkeit zu bislang ungekanntem Sinnengenuß aus der Sitzung nach Hause.
    Wenn ich diese

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