Die Reise
Tasse.
Mein Nebenmann nahm sich zwei Servietten. »Möchten Sie sich zu mir setzen?«
»Ja, gerne.«
Er ging zu dem einzigen Tisch, der leer war, in der Nähe des Eingangs. Wir setzten uns und kosteten unseren Kaffee. Ich kam mir etwas komisch vor, dass ich diese Einladung angenommen hatte; schließlich war ich ja immer noch verheiratet.
Aber andererseits: ein Kaffee mit einem Mann, den ich im Flugzeug kennen gelernt hab’ – was kann daran so schlimm sein? Wahrscheinlich werde ich ihn nie wieder sehen. Und es ist ja nicht so, dass ich mich ihm an den Hals geworfen hab’. Und Eheberater ist er auch
.
»Nun«, fragte er, »haben Sie in dem Buchladen was gekauft?«
»Woher wissen Sie, dass ich in dem Buchladen war?«, fragte ich zurück, plötzlich vorsichtig.
»Nun, Sie haben doch diese Tüte dabei.«
»Oh.« Ich schaute zu der Tragetasche hin. »Ja, Sie haben Recht. Ich hab’ mir einen Roman von Nicholas Sparks gekauft. Ich brauchte was Gutes zum Lesen.«
Ich nahm einen Bissen von meinem Kuchen und spülte ihn mit Latte hinunter. In meinem Hinterkopf nahm eine Frage Gestalt an. Nach dem Gespräch im Flugzeug bildete ich mir ein, zu wissen, wie er sie beantworten würde, aber ich brauchte jemanden, mit dem ich über das Thema reden konnte, und bei diesem Mann schien ich – in mehrerlei Hinsicht – auf der sicheren Seite zu sein. Und ich schätzte seine Meinung. Also gut …
»Ich frage mich gerade …«
»Ja?«
»Das heißt, vielleicht ist es eine dumme Frage, nach unserem Gespräch vorhin …«
»Eine ehrliche Frage ist nie dumm.«
»Gut …« Nein, ich kriegte es nicht besser hin. »Glauben Sie, dass es möglich ist, dass jemand eine persönliche Begegnung mit Gott hat?«
Kapitel 6
Es war die letzte Frage, die ich selbst von mir erwartet hatte. Ich war mir ja noch nicht einmal sicher, ob es Gott überhaupt gab, und hier war ich also und fragte diesen Mann, ob man eine persönliche Begegnung mit Gott haben konnte. Aber die Frage schien ihn überhaupt nicht zu schockieren. Was mir gerade recht war; ich brauchte jemanden, mit dem ich mich über verrückte Dinge unterhalten konnte, ohne selbst für verrückt erklärt zu werden.
»Warum fragen Sie?«, antwortete er.
»Also«, sagte ich, »nach dem, was wir vorhin so über die Religion gesagt haben, werden Sie wahrscheinlich denken, dass das das Dümmste ist, was Sie je gehört haben. Aber ich hab’ angefangen, darüber nachzudenken, was da mit Nick passiert ist. Diese religiöse Sache halt. Aber ich bin immer noch so schlau wie vorher. Das Ganze passt einfach nicht zu dem, wer Nick ist oder was er normalerweise machen würde. Und – ich weiß nicht, aber allmählich frage ich mich, ob … ob er nicht vielleicht tatsächlich Gott begegnet ist. Oder Jesus. Oder wem oder was auch immer.« Ich hielt eine Sekunde inne. »Ich weiß, das klingt jetzt an den Haaren herbeigezogen.«
»Nein, eigentlich nicht.«
»Aber Sie glauben doch gar nicht an Gott«, sagte ich.
»Aber Ihr Mann glaubt an Gott, und um Ihren Mann geht es doch bei der ganzen Sache. Und da habe ich den Eindruck, es könnte sich lohnen, wenn Sie dieser Sache nachgehen.«
Seine Antwort überraschte mich, aber ich war froh, jemanden zu haben, mit dem ich sprechen konnte. Seine Worte schienen mir geradezu ein Angebot zu einem Gespräch zu sein.
»Dann glauben Sie, dass das möglich ist?«, fragte ich. »Dass ein Mensch tatsächlich Gott begegnen kann?«
»Nun, was finden
Sie
?«
»Also, da ich mir nicht so sicher bin, ob es überhaupt einen Gott gibt …«
»Meinen Sie damit, dass Sie definitiv nicht an Gott glauben, oder lediglich, dass Sie nicht wissen, wie Sie sich das mit Gott vorstellen sollen?«
»Hm. Wohl eher das Zweite, glaube ich.«
»Dann halten Sie es im Prinzip für möglich, dass es einen Gott gibt?«
»Also … möglich ist es vielleicht schon, schätze ich mal. Ich weiß, Sie halten das wahrscheinlich für verrückt.«
»Dann nehmen wir doch einfach mal an, es gibt einen Gott, und denken auf dieser Basis weiter. Vielleicht gelingt es uns so, etwas Licht in das zu bringen, was mit Ihrem Mann los ist.«
Der Mann hatte Recht. Vielleicht konnten wir auf diese Weise tatsächlich zu Antworten kommen.
»Okay«, sagte ich. »Das klingt vernünftig.«
»Schön. Also: Wenn Gott existiert, ist es dann möglich, mit ihm in Kontakt zu treten? Was denken Sie?«
Ich beschloss, ehrlich zu antworten. »Nein, eigentlich nicht. Ich meine, Gott wäre doch so viel größer und
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