Die Reisen des Mungo Carteret
Obersten Commonwealth-Gerichts in Atenoa, das im vergangenen November alle nicht im Cluster angesiedelten Versicherungen und Rückversicherer von bestimmten Haftungen befreit hatte. Offenbar war es zu dubiosen Geschäften mit überhöhten Konventionalstrafen bei Überschreitung von Lieferfristen gekommen; bis zu einer Neuregelung all jener Bestimmungen, die mit Commonwealth-Recht vereinbar sein müßte, waren alle Kontrakte und Absprachen suspendiert. Eine Gruppe von Geschäftsleuten verschiedener Welten hatte den Prozeß angestrengt; am Vortag war das von Cluster-Konsortien beantragte Revisionsverfahren mit einer Bestätigung des ersten Spruchs zu Ende gegangen. Aber je länger er den Artikel las, desto weniger verstand er.
[ … ] Leider können wir dank der Befindlichkeit eines Gerichts weder Firmen- noch Eigennamen nennen; was die untersuchte Firma und ihre Verdrahtungen angeht, müssen wir also A, B, C, D oder, lieber, E sagen.
Nehmen wir einmal an, E sei 401 gegründet worden, benannt nach der Mutter des Eigners, der natürlich kein Eigner ist, da E seiner Tochter gehört. Startkapital war der immense Betrag von 1000 dr , was auf Kurultai – wie auf Punay, Astiriala und den anderen Clusterwelten – völlig ausreicht, sich jeder Verantwortung zu entziehen. E bestand aus einem Büroraum. Im gleichen Jahr, 401, kaufte E für 10 Mio dr die marode Versicherung F; das Geld wurde als langfristiger Kredit zur Verfügung gestellt von der Bank G, die 399 mit einem Kapital von 1000 dr gegründet worden war und ebenfalls dem Vater der Eignerin von E gehört. G ist eine Geschäfts- und Kundenbank mit bescheidenem Umsatz, 15 Mio erhielt G als günstigen Interbankenkredit – 10 gingen an F, 5 blieben bei G. So weit alles klar? Gut, also weiter.
Zu den Geschäften von E gehörten u. a. folgende (wahrscheinlich gibt es noch mehr, allesamt nach Commonwealth-Recht illegal, im Cluster aber üblich): 402 erwarb E für 60 Mio (Kredit von G) eine Prospektionsfirma, deren Besitzer bei seinem Tod streitsüchtige Erben hinterließ; ebenfalls 402, ebenfalls mit Krediten, beteiligte sich E an einer Kette von Läden, die mit Exotika handeln, und gründete eine Frachtagentur I, die bis 404 nichts befördert hatte. Sie wurde jedoch 404 für 15 Mio dr an eine Beteiligungsgesellschaft K verkauft, deren Haupteigner die Bank G ist. 403 beteiligt sich E (mit einem G-Kredit) zu 25% an dem Industriekomplex L und kauft Immobilien für 20 Mio dr – Kredit von G, den G wiederum von anderen Banken bezog, sämtlich im Cluster, und an denen G durch K beteiligt ist. Fein? Versichert sind die meisten der Firmen bei F, F ist rückversichert bei einer seriösen Gruppe auf Gaia, die wahrscheinlich nicht weiß, worauf sie sich eingelassen hat. 405 nahm die Frachtagentur I den Betrieb auf; eine ihrer ersten Leistungen war es, eine Lieferung an E über den Termin hinaus zu verschleppen, worauf eine Konventionalstrafe von 200 Mio dr fällig wurde, die F zahlte und sich von der Gaia-Gruppe zurückholte. E und G gehören inzwischen offiziell einem Konsortium M auf Astiriala, dessen Hauptanteilseigner K, E und G sind. Geschlossener Kreislauf? Perpetuum immobile?
Als die Puntila am 10. April den Depotsatelliten Canistra erreichte, kannte Carteret alle verfügbaren Unterlagen und Nebeninformationen fast auswendig, war aber völlig ratlos, wo er ansetzen sollte.
Die Hantel Canistra – zwei 100 Meter durchmessende Kugeln, verbunden durch eine 25 Meter dicke, 90 Meter lange Serviceröhre – schwebte im gleißenden Licht der Sonne Dingo über der fahlrot glühenden Tagseite von Garm. In der für Carteret linken Kugel glitzerten zahlreiche Panzerfenster: der Luxusteil des Depots mit Kabinen, Restaurant, Bar, Pool, Kasino und sonstigen Annehmlichkeiten. Die nähere Frachtkugel hatte eine mattgrüne fensterlose Oberfläche, mit Wülsten und Anschlüssen in allen möglichen Formen. An der Röhre lagen ein Beiboot der Flotte, sieben Linienfrachter, ein Luxusliner, ein einfacher Normliner für Massenpassagen, zwei – ziemlich ramponierte – Trampfrachter, die keiner Gruppe, sondern dem jeweiligen Kapitán gehörten, sowie zwei zylindrische Planetenshuttles mit Tragflächen.
Im Serviceteil, der von Personal und bizarren Apparaten wimmelte, stand Carteret ein paar Momente wie verloren neben seinen Gepäckstücken, blickte sehnsüchtig zum Transportband für den Luxusteil und schleppte dann Koffer und Tasche Richtung Frachtkugel.
Die Lademeisterin, eine
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