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Die Reisen des Mungo Carteret

Die Reisen des Mungo Carteret

Titel: Die Reisen des Mungo Carteret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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hüstelte das Gerät.
    »Durchlaucht wollen obszöne Kusine besuchen?«
    »Ja, dummer Apparat. Wieso?«
    »Ein Tip, Mungo, im Hinblick auf eure Praktiken.«
    »Von denen du nichts weißt. Was für ein Tip?«
    »Sieh dir ihr Tafelwasser an. Und ihre Zähne.«

Heimweh
     
    Der dritte Mond steht halb über dem zweiten.
    Die Hure Nacht geht auf den Dämmerstrich.
    Ich hör vom Knochenturm das Abendläuten.
    Der Nebel auf dem Würgmoor mausert sich.
    Zwei Nornen hecken unter einer Decke
    aus Lumpendärmen altes Grausen aus.
    Achilles überrundet eine Schnecke.
    Der Tsaozel balzt. Ich war jetzt gern zuhaus …
    aus: Balladen von der Grenze (anonym)
     
    I.
     
    »Große Versicherungen haben ihre eigenen Detektive, kleine zahlen nicht genug. Also: Hände weg von solchen Jobs.« So oder ähnlich hatte sich einer seiner Lehrmeister ausgedrückt, und Mungo Carteret hatte sich bisher an diesen Rat gehalten, selbst wenn er fast pleite war.
    Diesmal sah es anders aus. Das Honorar war nahezu astronomisch, der Fall kompliziert genug, um interessant zu sein; und Carteret langweilte sich gerade, bei halbleerem Konto. Er bat um einen Tag Bedenkzeit und rief sei nen alten Freund Salibian – die Dame von der Versicherung hatte erwähnt, daß behördliche Ermittlungen eingestellt worden seien; es konnte nicht schaden, behördliche Kanäle anzuzapfen, um Einzelheiten zu erfahren.
    Spät abends rief Salibi zurück. Im Prinzip bestätigte er die Informationen der Versicherung: Ein Arbeiter eines großen Exportlagers war tot umgefallen, vermutlich in folge Herzversagens, als er im Schutzanzug – vorschrifts mäßig – seiner Arbeit nachging und eben vor einer Schleuse zwischen zwei Lagerhallen stand. Er war – ebenfalls »vermutlich« – gegen die Kontrollgeräte gestürzt und hatte dadurch das Schott geöffnet. Aufgrund komplizierter Eigenschaften der gelagerten Waren herrschten in den Hallen unterschiedliche Druckverhältnisse; der Durchgang war eine Schleuse mit Doppelschott. Da beide Schotts geöffnet worden waren, hatten sich etliche Produkte zersetzt, Behälter waren geborsten, und insgesamt war hoher Schaden entstanden.
    »Die müssen zahlen«, sagte Salibi. »Es sei denn, je mand weist nach, daß es Sabotage war, oder so. Was haben sie dir geboten?«
    »Fünfundzwanzigtausend plus Spesen.«
    »Ha.«
    »Plus nochmal fünfundzwanzig, wenn ich das innerhalb eines Monats klären kann.«
    »Abermals ha. Trotzdem – das ist nur ein Trinkgeld.«
    »Wie hoch ist der Schaden?«
    Salibi grunzte leise. »Um die neunzig Millionen.«
    Carteret pfiff durch die Zähne. »Dann will ich doch noch ein bißchen feilschen. Prozente, Prozente.«
    Salibi summte tonlos; nach ein paar Sekunden räusper te er sich. »Haben sie dir von dem zweiten Unfall erzählt?«
    »Nee. Was ist passiert?«
    »Die haben natürlich ihre eigenen Leute drauf angesetzt. Zwei, genau. Die sind unter stürzende Container geraten. Einer ist tot, der andere liegt im Koma. Sieh dich vor, Junge. Die Kollegen haben ein bißchen drin rumgeporkelt, weil alles irgendwie schräg aussieht, aber es gibt keine eindeutigen Hinweise auf Absicht. Außerdem ist das eine kleine Station, nur ein paar Leute, die können sich damit nicht ewig befassen.« Er hustete nachdrück lich. »Wie gesagt, sieh dich vor. Und schalt dein Dings ein, ich überspiel dir, was ich hab. – Ah, noch was. Manche Versicherungen sind sicherer als andere. Vorkasse, Jun ge. Erst bezahlt werden, dann starten.«
     
    Die Dame von der Fortunay-Versicherungsgesellschaft sah freundlich aus, auf dem Schirm, und ihre Stimme war mild und verbindlich. Sie ließ sich jedoch auf keinerlei Feilschen ein; es gebe andere Detektive … Sie war be reit, das vereinbarte Honorar per Blitztransfer auf Carterets Konto zu schicken, wies ihn aber darauf hin, daß die Versicherungssumme laut Verträgen spätestens am 3. Mai zu zahlen sei; inzwischen schreibe man nicht mehr den 3., sondern den 4. April 410, so daß ihm nur noch 26 Tage verblieben: für den Auftrag und den Bonus. Man habe vorsorglich eine Kabine in einem am gleichen Abend von EuroNord startenden Frachter reserviert.
    Carteret knirschte mit den Zähnen. Für den übernächsten Tag, Erdzeit 1. Juni 2879, seinen 36. Geburtstag, hatte er ein mittleres Gelage geplant, mit Nachbarn aus der Gegend um Jobourg (Schnapsbrenner, Obstbauern, Viehzüchter, Privatiers), mit Freunden aus fernen Gegenden bis Paris, mit Technikern des Fusionsmeilers am nahen Kap. Andererseits – was gab

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