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Die Reisen des Mungo Carteret

Die Reisen des Mungo Carteret

Titel: Die Reisen des Mungo Carteret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Aspernys Witwe und die zwei fast erwachsenen Kinder lebten in der Nähe von Kynoborg. Osmin Apala ko hatte nie einen Ausweis in Kynossa erhalten; der SIC auf Urraca (wo es Meldepflicht gab) konnte keine Person dieses Namens ermitteln; das Raumhafenbüro hatte kei nen Apalako als ein- oder ausreisenden Passagier gespeichert; am 18. März war ein Osmin Apalako nach Auskunft der Sheba-Frachtlinie mit einem ihrer Schiffe als zahlender Passagier abgereist, Richtung Gaia, endgültiges Ziel unbekannt.
    »Das mit dem Hafenbüro hat nichts zu sagen. Die sind manchmal sehr lax, winken alles durch oder machen nur Stichproben.«
    Carteret fühlte sich seltsam beschwingt, fast eupho risch; sein Gehör schien überscharf zu sein. Als irgendwo im Restaurant ein Messer – wieso war er so sicher, daß es nicht eine Gabel oder ein Löffel sein konnte? – zu Boden klirrte, zuckte er heftig zusammen.
    »Komisch«, murmelte er.
    Der Kellner, der abgeräumt hatte, brachte zwei Kaffee und für Mungo einen weiteren Conyatsho.
    »Was ist komisch?« Medina sah ihn nicht an.
    Carteret leerte das Schnapsglas und spülte mit Kaffee nach. »Es gibt ihn nicht, er hat keinen Ausweis, hat auf Canistra gearbeitet, ist nie eingereist, wohl aber abgeflogen …« Dann legte er den rechten Arm auf den Tisch. »Gib mir die Hand, Medina. Damit ich weiß, warum ich Herzklopfen hab.«
    Sie grinste flüchtig. »Das ist der Schnaps – jagt einen hoch.«
    »Trotzdem.«
    Nun sah sie ihn an, behielt aber die Hand bei sich. »Weißt du«,, sagte sie leise, »für mich hängt einiges an der Sache.« Sie beugte sich vor, sprach leiser, ignorierte seinen Arm, der immer noch auf dem Tisch lag. »Von wegen kooperieren … Wenn du die Sache knacken kannst, und ich habe geholfen, komm ich vielleicht hier weg. Endlich.«
    »So schlimm? Drei Jahre Garm?«
    »Theater«, sagte sie leise; sie starrte auf die Tischdec ke. »Musik. Bücher. Und … private Gründe. Ich will weg aus dieser … Provinz, eh ich durchdrehe.«
    Carteret hörte, überscharf, das Knistern der Decke un ter seinem Arm, das Flüstern eines Kellners an der zehn Me ter entfernten Durchreiche, die Atemzüge der legata . »Unersprießliche Liebschaften?« sagte er halblaut.
    »Diese Pionierwelten … Es gibt hier keine sexuellen Tabus, aber bestimmte Dinge fehlen einfach.«
    »Was denn?«
    Sie blickte auf, lehnte sich zurück, lächelte schräg, be rührte seine rechte Hand mit ihrer Linken. »Ich bin Les be, Mungo. Kannst du dir vorstellen, wie man sich nach drei Jahren auf einem Planeten fühlt, wo es das nicht gibt? Kein Tabu, kein Verbot, die kennen das einfach nicht. Hat sich nie entwickelt. Es gibt keine Traditionen, die eine Frau in diese Richtung lenken könnten.« Noch lei ser, bitterer setzte sie hinzu: »Es gibt den Typ, klar, oder mehrere, genau so reichlich wie überall sonst auch. Aber … die wissen gar nicht, was das ist. Ich hab’s ein paarmal versucht; sogar tödlich verknallt war ich.«
    »Und?« Er drückte ihre Hand sanft.
    »Nix und. Kichern, Gelächter, sonst nix. Und hier in Kynossa kann ich’s ja nicht mal versuchen – das Gekicher über legata Cross würde den SIC diskreditieren.«
     
    In dieser Nacht wälzte Carteret sich schlaflos hin und her. Herzrasen, Hellhörigkeit – »Teufelszeug, dieser Schnaps«, murmelte er irgendwann. Er stand auf, schalte te das Licht an und aktivierte den kompakt .
    »Schlafstörungen, edler Herr Mungo?«
    »Mhm. Da kann man die Zeit auch gleich zum Denken verwenden.«
    »Ungewöhnlicher Zeitvertreib, für dich.«
    »Blöde Kiste. Paß auf.« Carteret gab eine konzentrier te Zusammenfassung der letzten Informationen, die er nicht »Kenntnisse« nennen mochte.
    Das Gerät gluckste. »Nichts, Mungoschätzchen. Nur Annahmen und Unfug. Ruf doch einfach deine inzestuö se Kusine an, vielleicht hat sie ein Orakel. Ich bin nicht verrückt genug, um mit deinen Daten arbeiten zu können. In Atenoa ist jetzt kurz vor sechs abends.«
    Carteret kratzte sich den Kopf. Pamela du Plessis konnte eine Vorlesung halten, reisen, sich herumtreiben, aber vielleicht war es einen Versuch wert. Er drückte den Knopf des Visifon; der blinzelnde Mann vom Nachtservice des Kennel schaltete die gewünschte Hyperfunkverbindung.
    Kusine Pamela erforschte seit Jahren die Frühgeschichte der Noastoa und hatte mehrere beachtete Werke dazu veröffentlicht. Ihre besondere Zuneigung galt abstrusen Aphoristikern der »Windbeutel-Phase«, deren Sprüche sie sammelte und irgendwann

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