Die Reisen des Paulus
den sonnigsten Zeiten eines Lebens gehör-te, dem nicht viel Glück beschieden war. Schließlich muß-
te selbst Augustus die wahre Natur seiner Tochter erkennen
– ihre Unmoral, ihre Ehebrüche erregten selbst das skand-algewohnte Rom. Julia wurde verbannt, während Tiberi-us noch auf Rhodos weilte. Nicht lange darauf mußte auch ihre Tochter, die ebenfalls Julia hieß, in die Verbannung gehen. Augustus hatte kein Glück mit seinen Kindern. Es mutet mehr als ironisch an, daß er 18 v. Chr. ein Gesetz ver-abschieden ließ, daß darauf abzielte, die Sittlichkeit in der Stadt wiederherzustellen – kraft dieses Gesetzes hätten seine Tochter und seine Enkelin zum Tode verurteilt werden können. Zur selben Zeit wie Julias Tochter und ihr Geliebter wurde Ovid verbannt, dessen Gedicht Liebeskunst schon seit längerem die sittenstrengen Gemüter der Hauptstadt empört hatte. Es erteilte gute Ratschläge zur Kunst der Verführung, und das in Wendungen, die keinen sonderlichen Aufwand an Phantasie erforderten. Ovid starb in der abgelegenen, reizlosen Kleinstadt Tomi in der Nähe der Donau-mündung (18 n. Chr.). In diesem Jahr studierte der Gegner all dessen, wofür er eintrat, bereits im Haus der Auslegung zu Jerusalem. In der ersten Zeit seiner Regierung scheint Tiberius sich recht gemäßigt und umsichtig betragen zu haben. Er legte größten Wert darauf, daß dem nunmehr ver-gotteten Augustus alle Ehre erwiesen wurde, außerdem förderte er den Kaiserkult in allen Ländern, die unter römische Herrschaft kamen. Im Elend seiner frühen Jahre hatte er sich die einsame Selbstbeobachtung angewöhnt, und dazu gesellte sich eine von Natur aus schweigsame Art – beides 70
machte ihn für das römische Volk nicht eben anziehend.
Seine Frau Julia, die Augustus aus der Verbannung zurück-geholt hatte (nichtsdestoweniger weigerte er sich, sie öffentlich zu empfangen), wurde eingesperrt und soll bald darauf am Hunger und an der schlechten Behandlung, die man ihr zuteil werden ließ, gestorben sein. Das ist gut möglich. Tiberius war stolz und empfindlich, und sie hatte ihn durch ihr Verhalten und ihre dauernde Untreue gequält. Wie Augustus besaß wohl auch Tiberius einen gewissen Hang zum Puritanismus, was ausgeschlossen scheint, wenn wir Suetons Bericht über sein späteres Leben auf Capri Glauben schenken wollen. Einer der Gründe für seine Unbeliebt-heit war, daß er so viele strenge Gesetze erzwang. Sie richteten sich gegen Ausschweifungen im allgemeinen, gegen Ehebruch (der oft mit dem Tod bestraft wurde) und selbst gegen so harmlose Handlungen wie Küsse in der Öffentlichkeit. Außerdem ließ er etliche Tempel, die berühmt-be-rüchtigt als Stelldichein waren, dem Erdboden gleichma-chen, wodurch er sich nicht gerade die Liebe der Gläubigen gewann – von den Prostituierten und ihren Freiern, die sich dort getroffen hatten, ganz zu schweigen.
Tiberius war sein Leben lang starker Trinker. Daher ist es möglich, daß er in späteren Jahren nicht nur einen mo-ralischen, sondern auch einen physischen Zusammen-
bruch erlitt. Sicherlich hat er Rom gehaßt. Sobald sich die Gelegenheit dazu bot, überließ er die Stadt dem Sejan, einem brutalen Untergebenen, und zog sich auf die Insel Capri zurück. Zuvor hatte er noch andere Schichten der Be-völkerung vor den Kopf gestoßen, indem er einen Angriff gegen alle fremden Götter unternahm, die im Zuge der Er-71
werbungen im Osten nach Rom eingedrungen waren. Be-
sonders verabscheute er die ägyptischen Kulte und das Judentum. Viele Juden wurden exiliert, weil sie sich weigerten, den Gesetzen des Kaisers zu gehorchen (sie sollten nämlich ihre liturgischen Gewänder und sonstigen Kultgegenstände verbrennen), andere wurden zur Armee zwangsver-pflichtet und absichtlich in die Malariagebiete auf Sardinien geschickt. Tiberius fand, es sei »kein Verlust, wenn sie dem ungesunden Klima zum Opfer fielen«. Er stand nicht alleine da mit seinem Glauben, die Anhänger der östlichen Religionen seien eine Bedrohung für Rom und die Oberhoheit des Kaisers. Für die Väter waren die alten römischen Götter gut genug gewesen – als einziger Ergänzung bedurfte es jetzt nur noch der Kaiserverehrung. Man weiß nicht recht, wie man Suetons Beschreibung von Tiberius’ Charakter und die Beschreibung seiner sexuellen Ausschweifungen in der Zurückgezogenheit auf Capri einordnen soll. Wenn ihn nach Orgien verlangte, warum dann nicht Rom? Viele seiner Nachfolger, darunter auch Nero, fanden,
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