Die Reiter der Sarmaten
sie sagte nichts, sie sah mich nur wehmütig lächelnd an, bevor sie die Zügel aufnahm und weiterfuhr.
15
Ich träumte, ich ritte im Sonnenschein über eine weite Wiese; ich ritt ein mir unbekanntes Pferd, einen schönen weißen Hengst, dessen Tritt so leicht war wie fallender Schnee. Es war früher Sommer, die Wiese war purpurn von Wicken, rot von Mohn und duftend von Mädesüß. Ich ritt über einen Hügel und sah meine eigenen Wagen unten im Tal neben einem Fluß stehen und meine Pferde etwas abseits von ihnen weiden. Tirgatao saß beim Lagerfeuer, Artanisca neben sich und ein Baby auf ihrem Schoß. Ich stieß einen Freudenschrei aus und galoppierte zu ihnen hinunter. Sie stand auf, als ich hielt und absaß, winkte mir aber lachend, nicht näher zu kommen. Artanisca hüpfte vor Freude und rief: »Papa! Papa!« – aber er lief nicht zu mir, um sich an mein Bein zu klammern.
»Schau!« sagte Tirgatao, und sie hielt das Baby hoch. Es war blondhaarig und blauäugig und lächelte mich an. Ich hielt ihm lächelnd den Finger hin – aber dann erinnerte ich mich, daß es ja gestorben war, bevor es geboren wurde, und ich zog den Finger zurück.
»Es ist schon recht«, sagte Tirgatao, die mein Zögern verstand. »Ich wollte, daß du sie siehst.«
»Du wurdest verbrannt«, sagte ich flüsternd. »Mein teuerstes Licht, sie haben dich verbrannt.«
»Das ist nicht mehr von Bedeutung«, erwiderte sie; sie lächelte mich an, als hätte ich einen Scherz gemacht.
»Ich hatte vor, wieder zu heiraten, wenn ich noch am Leben wäre«, erzählte ich ihr verlegen und beschämt.
Darüber lachte sie laut. »Ich weiß. Ach, mein Liebling, sieh mich nicht so an! Die Toten heiraten nicht, und es wäre ein Jammer, wenn du allein bliebst, wo du so gut lieben kannst und es so viele Menschen gibt, die nur hassen können. Sieh, ich bin Marha im Feuer begegnet und habe ihn um dein Leben gebeten. Sag Pervica, daß ich es jetzt ihr anvertraue.«
Ich sah sie verwundert an, und sie lachte wieder. »Ich liebe dein Gesicht, wenn du überrascht bist«, sagte sie zärtlich. »Diese ganze pompöse fürstliche Würde fällt dann wie eine alberne Maske ab. Du bist dazu geschaffen, gehänselt zu werden. Sag Pervica, sie muß dich hänseln. Ja, mein goldener Held, ich bin Marha im Feuer begegnet, und er hat mich vor Schaden bewahrt. Eukairios hatte recht: Was wir im Leben sind, das zählt, nicht, was mit uns geschieht, wenn wir tot sind. Das Feuer kann die Guten nur läutern, aber sie nicht zerstören.«
»Wieso kennst du Eukairios?« fragte ich.
»Ich kenne ihn nicht«, antwortete sie. »Du kennst ihn. Aber schau, du mußt auf dein Pferd achten.«
Ich schaute und sah, daß der weiße Hengst ein Drache geworden war, golden, mit feurigen Augen und leuchtenden Flügeln. Er breitete die Flügel zur Hälfte aus und brüllte, der lange Schwanz schlug knallend wie eine Peitsche. Er trug noch meinen Sattel und mein Zaumzeug. Ich nahm das alles, wie man es im Traum tut, als ganz natürlich hin und ergriff die Zügel. Der Drache zerrte heftig an ihnen, so wie es ein Pferd tut, das nach Hause in den Stall will. Ich drehte mich zu Tirgatao um – aber sie war verschwunden und mit ihr die Kinder und die Wagen. Das Flußufer lag leer und verlassen da.
Mit einem Schrei schwang ich mich auf den Rücken des Drachen, und seine Flügel peitschten die Luft, als er in die Höhe galoppierte. Die Wiese blieb hinter uns zurück, alles war leer, alles war still und bleich geworden, nur der Wind rauschte in meinen Ohren. Dann flogen wir höher, und rings um uns war der Gesang der Sterne. Der Wind stach mir wie mit Nadeln ins Gesicht, und mir war kalt. Aus großer Höhe warf ich einen Blick nach unten, und einen Augenblick lang sah ich klar, als wäre es eine Insel in einem rauschenden Strom, eine Lichtung in einem Wald, darauf die Hütte eines Kohlenbrenners, neben der ein Aschenhaufen lag, und ein goldschimmernder Helm mit einem roten Federbusch lag auf einem in die Erde gerammten Pfahl. Dann fingen meine Augen vor Kälte zu brennen an, und ich schloß sie.
Stöhnend wachte ich auf. Ich lag auf dem Bett in meinem Wagen, und mir war kalt. Im Schlaf hatte ich die Decken abgeworfen. Ich setzte mich auf, rieb mir die Hände und fuhr mir durchs Haar, wie betäubt von dem Traum, dessen Sinn ich zu verstehen versuchte. Nach einer Weile ging ich zur Tür.
Die Morgenfeuer brannten unter einer hellen Wintersonne, die schon ziemlich hoch stand. Ich sah Facilis, Eukairios
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