Die Reiter der Sarmaten
könnten es jetzt mit ihm besprechen.«
»Die Fragen sollte besser ich stellen«, sagte Facilis knurrig. »Schließlich bin ich mit der Untersuchung beauftragt worden.«
»Armer Lucius«, wiederholte Longus mit unglücklichem Gesicht. »O Götter!«
Wir fanden Comittus im Speiseraum seines Hauses beim Lesen. Mir fiel wieder auf, wie freundlich der Raum war – der Mosaikfußboden mit den Bildern von Vögeln und anderen Tieren, die guten Glasfenster, die das Zimmer hell, aber nicht kalt machten, die stuckverzierte Decke und die getünchten Wände. Die Hypokaustum-Heizung strahlte vom Fußboden her eine angenehme Wärme aus, ohne lästigen Rauch zu entwickeln. Zum erstenmal fragte ich mich, ob ich in einem solchen Haus wohnen möchte – eines Tages, in einer noch fernen, aber nicht mehr unabsehbaren Zukunft.
Comittus bemerkte uns, als wir schweigend in der Tür standen. Mit breitem Grinsen sprang er auf. »Ihr seid zurück? Willkommen!« rief er aus, rollte sein Buch auf und legte es auf den Tisch. Dann kam er herüber, um uns mit Handschlag zu begrüßen.
Facilis ignorierte seine ausgestreckte Hand, und Comittus trat einen Schritt zurück, das Lächeln schwand aus seinem Gesicht. Alarmiert sah er zu Longus hinüber, der traurig den Kopf schüttelte.
»Ich habe Euch einige Fragen zu stellen, Lucius Javolenus«, erklärte Facilis. »Vielleicht sollten wir uns besser setzen.«
Als Facilis ihn beschuldigte, Druide zu sein, brach Comittus zusammen und gab es sofort zu. Schluchzend sagte er zu mir: »Es tut mir leid, Ariantes!«
Aber es stellte sich bald heraus, daß er in Wirklichkeit nichts getan hatte, was ihm leid tun mußte. Er war Druide geworden, weil er die Götter seines Volkes in der Weise verehren wollte, wie sie immer verehrt worden waren, und er war, wie Longus schon gesagt hatte, noch ein ziemlicher Neuling. Er studierte die heiligen Lehren seiner Religion, ohne bisher über die elementaren Grundlagen hinausgekommen zu sein, und war Assistent eines Priesters. Von dem Mord in dem heiligen Hain bei Corstopitum hatte er nichts gewußt, bis die Nachricht das ganze Fort nach den Saturnalien erreicht hatte – und dann hatte er sich, wie auch Longus schon gesagt hatte, die größten Sorgen wegen dieser Sache gemacht. Der Mord – und die Tatsache, daß er begangen worden war, um mir zu schaden, seinem Kameraden, von dem er wußte, daß er sich nie gegen die alten Götter seines Volkes und gegen ihre Priester vergangen hatte erschütterte seinen Glauben an alles, was man ihn gelehrt hatte.
Ihm war gleich die Verbindung mit der Invasion der Kaledonier aufgefallen, und er hatte begriffen, daß seine Freunde der Rebellion gegen Rom schuldig waren. Römer und Brite, Legionstribun und Adept des Druidentums, coritanischer Adliger und Angehöriger des römischen Ritterstandes – sein ganzes Leben lang war er halb in dieser, halb in jener Welt zu Hause gewesen. Jetzt hatte sich eine tiefe Kluft zwischen beiden Welten aufgetan, er war verwirrt, hin- und hergerissen zwischen unvereinbaren Loyalitäten. Facilis’ Anklagen, die in gewisser Weise das Dilemma lösten, in dem er sich befand, waren ihm deshalb fast willkommen, obwohl er mit Verhaftung, Schande, Ruin und vielleicht Tod rechnete.
Facilis setzte ihm unbarmherzig zu, um mehr über die Druiden herauszufinden – wie viele es in dieser Region gab, wie sie organisiert waren und wer der Drahtzieher bei dem Mord war. Aber Comittus wußte darüber wenig mehr, als ich von den Christen in Eburacum erfahren hatte, und sträubte sich – nach meiner Meinung eine ehrenhafte Haltung –, irgendwelche Namen zu nennen. Er erwähnte auch Aurelia Bodica mit keinem Wort. Selbst als Facilis plötzlich die Liste der vermutlichen Rädelsführer zückte, wollte Comittus nicht sprechen, bestätigte aber schließlich zwei der Namen mit vor Angst und Verzweiflung heiserer Stimme.
Schließlich machte ich dieser scheußlichen Situation ein Ende und erklärte dem Tribun offen, daß Facilis seinen Namen nicht von offiziellen Stellen bekommen hatte und daß niemand auch nur im entferntesten daran dachte, ihn dem Legaten oder den Behörden zu melden. Facilis war ärgerlich über meine Einmischung, gab aber seine Zustimmung zu erkennen. Comittus bedankte sich, drückte uns allen erleichtert die Hand und schwor, er habe die Verbindung zum Druidentum bereits abgebrochen und wolle nie wieder mit ihm zu tun haben.
Wir ließen ihn allein und gingen zum Stabsgebäude hinüber, um
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